Paulusheim in Endenich Messerstecher fiel Polizei schon im Juni auf

BONN · Die Stadt Bonn wisse nichts von psychischen Problemen des 23-jährigen Flüchtlings. Der Gesundheitszustand des Mannes, der am frühen Samstagabend auf dem Gelände des Endenicher Paulusheimes von Polizisten niedergeschossen worden war und seither in einer Bonner Klinik liegt, ist stabil.

Das teilte am Montag die Sprecherin der Bonner Staatsanwaltschaft, Monika Volkhausen, mit. Der Mann aus Guinea hatte zuvor am Nachmittag einen 27-jährigen Landsmann in der Unterkunft an der Sebastianstraße mit zwei Messern verletzt.

Für die Stadt Bonn, die das Paulusheim betreibt, ist es der erste Vorfall, der derart eskalierte und für einen Großeinsatz der Polizei sorgte, bedauerte am Montag Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch auf einer Pressekonferenz im Alten Rathaus.

Zum Fall selbst wollten er und Sozialdezernentin Angelika Maria Wahrheit sich nicht äußern. "Wir müssen den Vorgang noch genau analysieren", sagte Wahrheit.

Nur so viel: Der Mann lebe bereits seit 2013 in Bonn und sei bisher nicht auffällig geworden. Zur Darstellung des verletzten Mitbewohners und einer Betreuerin, der Täter leide offensichtlich an psychischen Störungen, könne man nichts sagen.

Wie der GA jedoch aus gesicherter Quelle erfuhr, war der 23-Jährige bereits einmal am 13. Juni am Bertha-von-Suttner-Platz auffällig geworden: Weil er dort randalierte und sich seltsam aufführte, wurde nicht nur die Polizei alarmiert, sondern auch der Rettungsdienst.

Nachdem Sanitäter ihn versorgt hatten, wurde er ins Polizeigewahrsam genommen, später jedoch wieder entlassen. Wie die Stadt erklärte, habe sie davon nichts erfahren. "Das ist mir bis jetzt nicht bekannt", sagte Wahrheit auf Nachfrage des GA.

Zur Kritik von ehrenamtlichen Betreuern im Paulusheim, es fehle an geschulten psychologischen Ansprechpartnern für die oftmals traumatisierten Flüchtlinge, erklärte Wahrheit: "Wenn jemand psychologische Unterstützung benötigt, wird er sie auch erhalten."

Das scheitere auf keinen Fall an Kapazitäten oder Kosten, versicherte sie. "Es ist bisher noch niemand abgelehnt worden, der diese Hilfe in Anspruch nehmen wollte." Allerdings werde nicht jeder Flüchtling automatisch auf seine Psyche hin untersucht. "Das ist eine hoch komplizierte Geschichte", sagte sie, man könne auch niemanden zur Therapie zwingen.

"Wenn jemand psychologische Unterstützung benötigt, wird er sie auch erhalten"
Sozialdezernentin Angelika Maria Wahrheit

nsgesamt sind laut Wahrheit 16 Sozialarbeiter in den städtischen Unterkünften im Einsatz, allerdings sind sie nicht ausschließlich für die Flüchtlinge zuständig.

Es sollen jetzt zwei weitere Stellen hinzukommen, sagte Nimptsch. Im Paulusheim stehe täglich eine Kraft zwei Stunden für Beratungsgespräche zur Verfügung. Eine Zeit, die OB Nimptsch für ausreichend hält. Es sei nicht bekannt, dass sich dabei lange Schlange bildeten, sagte er.

Laut Wahrheit wohnen derzeit 185 Personen im Paulusheim, das mit 20 Personen leicht überbelegt sei. Entspannung erhofft sie sich von der am kommenden Montag geplanten Eröffnung der Gemeinschaftsunterkunft an der Provinzialstraße in Lengsdorf. Dort sollen 70 Flüchtlinge wohnen.

Zurzeit hat die Stadt Bonn 1098 Flüchtlinge in ihrer Obhut. Bis Jahresende rechnet Wahrheit mit 600 zusätzlichen Personen.

[kein Linktext vorhanden]Sarah Puls vom Bonner Flüchtlingshilfeverein "Refugees Welcome Bonn" glaubt, dass das bisherige Angebot der Stadt an sozialer und psychologischer Beratung in den Flüchtlingsunterkünften nicht ausreicht.

"Wenn so etwas im Paulusheim passiert, in dem sich ja sehr viele Menschen engagieren, was ist dann mit den Unterkünften, in denen kaum Betreuer sind, wie in Duisdorf am Hüttenweg?", fragt sie. Ihr Verein überlege deshalb, an Schulungen für ehrenamtliche Betreuer teilzunehmen, damit diese solchen Situationen künftig besser gewachsen seien.

Pfarrer Uwe Grieser vom ökumenischen Arbeitskreis Flüchtlinge in Endenich will im Kreis der Helfer anregen zu überlegen, welchen Handlungsbedarf es gibt und wo man an der Stelle noch stärker mit der Stadt zusammenarbeiten kann.

"Es macht zudem einen Unterschied, ob sie zur Beratungsstelle hingehen müssen oder ob die Berater sich diesen Menschen zuwenden", sagte er, "das ist gewiss die große Schwierigkeit in solchen Massenunterkünften."

Der psychische Zustand des 23-jährigen Afrikaners ist nun auch für die Staatsanwaltschaft "Gegenstand von weitergehenden Untersuchungen", sagte Volkhausen. Wie sie überdies bestätigte, wurde der Mann nicht nur von Kugeln aus den Dienstwaffen der SEK-Beamten mehrfach in Arm und Schulter getroffen, sondern er erlitt auch einen seitlichen Durchschuss an seinem Gesäß.

Gegen ihn wird nun wegen seiner Messerattacke auf seinen 27-jährigen Landsmann wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt.

Außerdem, so Volkhausen, sei die Schussabgabe der Polzisten auf den 23-Jährigen weiterhin Gegenstand von Ermittlungen, um zu klären, ob die Schüsse gerechtfertigt gewesen seien. Zu der Frage, wie viele Beamte wie viele Schüsse abgegeben hätten, wollte sie unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen nach wie vor nichts sagen.

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