Kriminalität in Bonn Metalldiebe schätzen Sakralkunst

AUERBERG · Der Bronzekreuz-Diebstahl auf dem Gelände eines Steinmetzen ist nur einer von vielen Fällen in Bonn. Gestohlen wird vor allem auf Friedhöfen, in Rohbauten, Mehrfamilienhäusern und an Bahnanlagen.

 Friedhelm Möhle auf dem Gelände seines Betriebs. Rechts neben dem Grabstein mit dem Christuskopf stand bis vor wenigen Tagen das Bronzekreuz. Es wurde samt Betonsockel von dem umzäunten Firmengelände abtransportiert.

Friedhelm Möhle auf dem Gelände seines Betriebs. Rechts neben dem Grabstein mit dem Christuskopf stand bis vor wenigen Tagen das Bronzekreuz. Es wurde samt Betonsockel von dem umzäunten Firmengelände abtransportiert.

Foto: Martin Ochmann

Friedhelm Möhle steht zwischen Grabsteinen und Granitblöcken auf dem Gelände seines Steinmetzbetriebs an der Kölnstraße und lacht bitter. "Jahrelang hatten wir Ruhe. Aber seitdem die Chinesen ihren Staudamm bauen, ist es damit vorbei." Auf dem Steinboden neben Möhles Schuhspitzen verlaufen hellgraue Schleifspuren, sie führen zum Tor des umzäunten Geländes. Unbekannte haben von diesem Gelände vor wenigen Tagen ein beinahe mannshohes Bronzekreuz samt Sockel geklaut.

Sie dürften dafür einige Mühen in Kauf genommen haben. Möhle ist ein kräftiger Mann. "Ich konnte das Ding anheben, aber 80 Kilo dürfte das sicher gewogen haben." Wert ist diese Mühe der Preis, der sich mit dem Verkauf des Metalls erzielen lässt. Und der steigt ständig.

Bekam man für ein Kilogramm Kupfer vor einem Jahr rund 4,80 Euro, und damit fast doppelt so viel wie fünf Jahre zuvor, liegt der Preis derzeit bei etwa sechs Euro. Damit steigt auch die Zahl der Metalldiebstähle. "In den letzten sieben, acht, neun Jahren nimmt das stark zu", sagt Möhle. Sehr häufig werde er von Kunden angesprochen, denen zum Beispiel Kreuze, Bronzelampen oder auch Figuren von Gräbern gestohlen wurden.

Das bestätigen die Mitarbeiter des benachbarten Steinmetzbetriebs. Sie zücken den Flyer einer Versicherung, die ihren Kunden anbietet, sich gegen Diebstahl und Vandalismus am Grab versichern zu lassen. "Die Kunden nehmen das aber kaum an", brummt Möhle. Da Grabsteine und entsprechendes Zubehör kein Allerweltskauf sei, seien die Kunden in der Regel "unbedarft", sie würden gar nicht mit derartigen Diebstählen rechnen.

"Wer auch immer das Kreuz geklaut hat, 250 Euro dürfte er schon dafür bekommen", schätzt Möhle. Für ihn selbst sei der Schaden eher ideeller Art. "Ich hänge einfach an dem Ding", sagt der Steinmetz. Allein der Spruch, der das Kreuz ziert, habe es ihm schon angetan. "Für uns zu früh, doch Gottes Wille" steht auf dem Kreuz.

Möhle hört ein rheinisch-saloppes Schulterzucken heraus, nach dem Motto "Et kütt wie et kütt". Über 30 Jahre sei das Kreuz alt, das nicht nur seinerzeit für den konventionellen Geschmack etwas zu avantgardistisch gewesen sein dürfte. Die Kunstgießerei Strassacker aus Süßen in Baden-Württemberg habe das Kreuz hergestellt. "Das war damals hypermodern und hat 1500 Mark gekostet. Da haben die Leute noch viel Geld auf den Friedhof getragen", sagt Möhle.

Rund 230 Fälle von Metalldiebstahl hat es laut Polizeisprecher Frank Piontek 2012 in Bonn gegeben. "Die Zahl nimmt tatsächlich auffallend zu, seitdem die Rohstoffpreise so gestiegen sind", sagt Piontek. Gestohlen werde vor allem auf Friedhöfen, in Rohbauten, Mehrfamilienhäusern und an Bahnanlagen. "Und gestohlen wird alles, was nicht niet- und nagelfest ist, Grablampen, Skulpturen, Armaturen, Regenrinnen, es war auch schon mal ein Gullydeckel dabei", so Piontek. Von den 230 Fällen, die Piontek zählt, seien in allein 40 Fällen die Deutsche Bahn und die Stadtwerke Bonn betroffen.

Laut SWB-Sprecherin Veronika John hätten es die Täter vor allem auf Kupfer abgesehen. "Das ist lästig und ein Thema, mit dem die Kollegen zu kämpfen haben", sagt John. Es sei jedoch nicht nur lästig, sondern auch gefährlich. Denn gestohlen würde häufig aus Fahrsignalanlagen, in denen es die Täter auf Drähte, Leitungen und Spiralen abgesehen hätten.

Hinweise zum gestohlenen Bronzekreuz an Telefon 0228/15-0.

Die Spur der Metalldiebe:

  • Einen besonders spektakulären Fall von Metalldiebstahl gab es Anfang August 2007 auf dem Südfriedhof in Dottendorf. Die Täter stahlen eine 1,20 Meter große und 150 Kilogramm schwere Christusstatue im Wert von 10 000 Euro. Im selben Jahr stahlen Unbekannte auch die Fallrohre von Dachrinnen der St. Evergislus-Kirche in Plittersdorf.
  • Im Juni 2008 verschwanden von Friedhöfen in Dransdorf, Buschdorf und vom Nordfriedhof zahlreiche Grableuchten.
  • Vermutlich gestört wurden die Täter, die im November 2009 am Alten Zoll das bronzene und 80 Kilogramm schwere Husarenrelief aus der Wand rissen. Ein mal zwei Meter ist das Relief groß, das die Täter am Tatort liegen ließen. Es musste danach aufwendig saniert werden.
  • Im Januar 2011 grasten Metalldiebe die Bonner Friedhöfe ab. Auf dem Nordfriedhof, dem Endenicher, dem Lengsdorfer Friedhof und dem Alten Friedhof an der Bornheimer Straße stahlen sie Vasen, Schalen und Grableuchten aus Bronze, auf dem Alten Friedhof außerdem eine Schriftplatte. Auf dem Nordfriedhof zählte der Verwalter zwischen Mitte Dezember 2010 und Anfang Januar 2011 rund 66 Diebstähle.
  • Wenig zimperlich gingen die Täter bei einem Metalldiebstahl auf dem Duisdorfer Friedhof, Rochusstraße, im Oktober 2011 vor. Sie stahlen eine der zwei großen, bronzenen Feuerschalen, die auf der Friedhofsmauer stehen. Die Schale war aus historischem Material. Sie entstand aus dem Umguss des alten Duisdorfer Kriegerdenkmals, ein Soldatenstandbild, das an die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges erinnerte.
  • Im Juli 2012 verurteilte das Landgericht Bonn die Mitglieder einer siebenköpfige Bande zu mehrjährigen Haftstrafen. Sie hatten Kupfer von Baustellen gestohlen.
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