Kommunalwahl 2020 in Bonn Michael Faber (Linke): „Investoren strengere Vorgaben machen“

Bonn · Die GA-Redaktion hat mit den aussichtsreichsten sechs Bonner Oberbürgermeisterkandidaten Interviews nach ganz besonderen Spielregeln geführt – sie saßen auf dem „Heißen Stuhl“. In dieser Folge: Michael Faber (Linke).

 Michael Faber im Gespräch mit Redakteur Nicolas Ottersbach. Das Interview gibt es auch als Video auf der GA-Internetseite.

Michael Faber im Gespräch mit Redakteur Nicolas Ottersbach. Das Interview gibt es auch als Video auf der GA-Internetseite.

Foto: Matthias Kehrein

Am 13. September wählen die Bonnerinnen und Bonner den neuen Stadtrat, die Bezirksvertretungen – und das neue Stadtoberhaupt. Die Redaktion hat mit den aussichtsreichsten sechs Oberbürgermeisterkandidaten Interviews nach ganz besonderen Spielregeln geführt, bei denen es auf Faktenkenntnis, Klarheit und rhetorisches Geschick ankam – sie saßen auf dem Heißen Stuhl. Videos aller Gespräche werden auf der GA-Internetseite veröffentlicht. Die Fragen an Michael Faber von der Linkspartei stellten Nicolas Ottersbach und Andreas Dyck.

Bonn will klimaneutral werden und den Autoverkehr reduzieren: Sind Sie für Umweltspuren nur für Busse und Radler auf den großen Ausfallstraßen? Wenn ja, wo?

Michael Faber: Ja, dafür bin ich. Ich glaube, dass eine echte Verkehrswende hin zu ÖPNV und Radverkehr für Bonn ganz wichtig ist. Umweltspuren sind da ein wichtiger Teil von. Ich kann mir das sehr gut  am Bertha-von-Suttner-Platz und an der Oxfordstraße vorstellen. Am Kaiser-Karl-Ring wären Protected Bike Lanes, also geschützte Radwege, denkbar, für die ich mich einsetzen will.

Wie oft nutzen Sie selbst Bus, Bahn oder das Rad?

Faber: In der Corona-Zeit ist es etwas weniger geworden, wie bei so vielen. Da ich selber kein Auto besitze, sind das meine Verkehrsmittel. Ich bin praktisch täglich mit Bus und Bahn unterwegs, mit dem Rad etwas weniger. Aber ich laufe sonst viel zu Fuß.

Eine Seilbahn auf den Venusberg: gute Investition?

Faber: Die entscheidende Frage, ob eine Seilbahn Sinn macht, ist aus meiner Sicht, ob dieses Angebot dazu führt, dass viele Pendlerinnen und Pendler, die heute noch den Pkw nutzen, wegen dieses Angebots auf den ÖPNV und auf die Seilbahn umsteigen. Ich bin da sehr skeptisch. Ich bin beruflich häufig in Koblenz unterwegs, da wird die Seilbahn vor allem touristisch genutzt. Vor dem Hintergrund glaube ich nicht, dass sie einen so guten Beitrag zur Verkehrswende leistet, wie es aus meiner Sicht mit Blick auf die Kosten erforderlich wäre, zumal dafür auch Buslinien eingeschränkt werden sollen.

Zankapfel Cityring: Was halten Sie für die beste Lösung?

Faber: Ich setze mich im Rahmen der Verkehrswende, wie wir sie in Frage 1 schon angesprochen haben, dafür ein, dass wir den Raum, den das Auto im öffentlichen Verkehr in Bonn einnimmt, zurückdrängen, um mehr Freiraum für ÖPNV, Radfahrer und Lebensqualität für alle zu erreichen. Dazu gehört für mich auch eine stärker autofreie Innenstadt, für die ich mich einsetzen will. Deshalb möchte ich den Cityring kappen und auch Maximilianstraße und Wesselstraße für den Autoverkehr sperren.

Deutsche Städte bekommen die Möglichkeit, das Anwohnerparken teurer zu machen. Wären Sie dafür?

Faber: Grundsätzlich bin ich für eine Verteuerung des Parkens in Bonn und auch eine entsprechende Reduzierung von Parkmöglichkeiten sowie eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung. Dazu gehören auch teurere Parkgebühren in allen Bereichen.

Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Wohnen in Bonn für jeden bezahlbar bleibt?

Faber: Das ist wirklich mit die drängendste Aufgabe, vor der wir in Bonn stehen. Die Stadt verliert Jahr für Jahr Sozialwohnungen und Wohnungen mit Belegungsbindung. Da ist es kein Wunder, dass auch die Mieten bei uns immer weiter steigen. Dagegen kann man etwas machen, ganz konkret zwei Vorschläge dazu. Das Erste ist: Wir müssen Investoren deutlich strengere Vorgaben machen, was mehr sozialen und geförderten Wohnungsbau anbetrifft. Und zweitens: Wir müssen die Abhängigkeit der Stadt von diesen Investoren reduzieren, indem die Stadt selber oder über die Vebowag oder auch eine neu gegründete Stadtentwicklungsgesellschaft souveräner wird, was die Entwicklung der Flächen und auch den Wohnungsbau anbetrifft.

Bei vielen Wohnbauprojekten kommt sofort Gegenwind von Bürgerinitiativen aus der Nachbarschaft. Was sagen Sie denen?

Faber: Es kommt natürlich darauf an, was sie für Argumente anführen. Erstmal finde ich es legitim, dass sich in einer lebendigen Demokratie Anwohnerinnen und Anwohner mit dem befassen, was die Stadt plant und was auch in ihrem Umfeld umgeht. Ob die Einwände, die dann kommen, berechtigt sind oder nicht, hängt schlicht und ergreifend vom Einzelfall ab, den dann die Politik, die ein Oberbürgermeister in der Stadt, miteinander abwägen müssen, die Einzelinteressen und die gesamtstädtischen Interessen.

Erst Bürgerbegehren, dann Bürgerwerkstatt, jetzt Stillstand: Was soll aus dem Viktoriakarree werden?

Faber: Erstmal bin ich froh, dass die Stadt beim Viktoriakarree nicht eine große Shoppingmall errichtet hat, und, wie wir es jetzt bei Karstadt erleben mussten, von Herrn Benko und Signa noch an einer anderen wichtigen stadtentwicklungspolitischen Stelle abhängig ist. Ich möchte, dass wir das Viktoriakarree im Bestand sanieren und kleinteilig weiterentwickeln mit einem Schwerpunkt auf Wohnraum, auf die vorhandene Gastronomie und möglichst auch eine Fortexistenz des Stadtmuseums dort.

Der Schuldenberg der Stadt beträgt bald zwei Milliarden Euro: Wo kann Bonn sparen?

Faber: Zunächst mal will ich sagen: Alle Oberbürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten, die hier auf dem heißen Stuhl sitzen und der Bonner Bevölkerung versprechen, dass sich in den nächsten Jahren die Schulden deutlich reduzieren lassen, sind aus meiner Sicht nicht ganz ehrlich, wenn wir uns anschauen, welchen Sanierungsstau die Stadt bei der Infrastruktur vor sich herschiebt. Das werden wir ohne Kreditaufnahme nicht bewältigen können, wir müssen da sogar rangehen, und zwar schnell. Sparen kann die Stadt aus meiner Sicht, indem die Geschäftsführergehälter der Stadtwerke gekürzt werden, das mal als einen Punkt.

Schließen Sie eine Erhöhung von Grund- oder Gewerbesteuer aus, wenn Sie OB sind?

Faber: Ich schließe eine Erhöhung der Grundsteuer aus, weil sie das Wohnen in Bonn teurer macht. Da möchte ich sogar zu einer Senkung kommen, um Wohnen, Mieterinnen und Mieter zu entlasten. Bei der Gewerbesteuer schließe ich eine Erhöhung nicht aus. Bei den Aufgaben, denen wir uns als Stadt Bonn stellen müssen, ich habe gerade eben den Sanierungsstau genannt. Da kann ich mir vorstellen, wenn die wirtschaftliche Lage sich nach Corona wieder normalisiert hat, dass wir hier auch zu einer Anhebung der Gewerbesteuer kommen.

Ist die Integration von Flüchtlingen seit 2015 gelungen?

Faber: Im Großen und Ganzen denke ich ja. Für die Mammutaufgabe, vor der die Stadt und die Stadtgesellschaft standen, ist das eine grundsätzlich positive Entwicklung, die hier in den vergangenen Jahren vollbracht wurde. Das kann man auch mal so benennen. Das schließt nicht aus, dass wir an der einen oder anderen Stelle Probleme haben. Das ist bei einer Herausforderung dieser Größenordnung aber aus meiner Sicht auch fast schon normal.

Die Corona-Krise zeigt, wie rückständig die Digital-Ausstattung der städtischen Schulen ist. Was wollen Sie tun?

Faber: Die Stadt hat jetzt ganz aktuell ein Angebot des Landes angenommen, um im großen Umfang  digitale Endgeräte für die Schülerinnen und Schüler zu beschaffen und ein entsprechendes Vergabeverfahren einzuleiten. Das finde ich ist ein sinnvoller Schritt.  Allerdings die Gerätschaften vorzuhalten, ist das eine, wir müssen vor allem schauen, dass es auch eine sinnvolle Integration von digitalen Endgeräten in den Schulalltag gibt. Ich glaube, das ist eine pädagogische Herausforderung, der sich auch die Schulverwaltung und die Stadtverwaltung stellen sollte.

Auf Termine im Dienstleistungszentrum müssen die Bonner immer noch wochenlang warten, wenn sie Pech haben. Was läuft da seit Jahren falsch?

Faber: Das System ist aus meiner Sicht ausgesprochen anfällig für Verwerfungen und Probleme. Wenn es mal eine Krankheitswelle gibt, wenn ein Bedarf ansteigt, etwa vor Ferienzeiten, dann stößt dieses System der langfristigen Terminvergabe an Grenzen. In Normalzeiten funktioniert es ganz gut, in Problemzeiten aber nicht. Ich glaube, wir müssen hier zu einem stärkeren Mix kommen, zwischen tagesaktuell angebotenen Terminen, die auch kurzfristig in Anspruch genommen werden können, und längerfristigen Terminplanungen.

Nicht nur bei der Sanierung der Beethovenhalle wirkt das Städtische Gebäudemanagement überfordert: Soll die Stadt auf öffentlich-private Partnerschaft setzen, also Generalunternehmer, die schlüsselfertig bauen, oder sogar ganz auf Investoren?

Faber: Das hat ja an der ein oder anderen Stelle bei der Stadt, wenn ich mir das WCCB anschaue, auch nicht immer zum Erfolg geführt. Ich glaube schon, dass wir die Stadt befähigen müssen, selbst in der Lage zu sein, über eine Stadtentwicklungsgesellschaft, die wir im Rat initiiert haben, mit gutem Personal und ausreichender Planungsgrundlage selbst auch anspruchsvolle Neubau- und Sanierungsvorhaben umzusetzen. Den Glauben an den rettenden Privatinvestor teile ich nicht.

Wie bewerten Sie das optische Erscheinungsbild von Straßen und Plätzen der Stadt?

Faber: Das kommt auf den Platz an. Im Großen und Ganzen stimme ich aber nicht ein in das Lied, dass unsere Stadt völlig verdreckt sei und verwahrlosen würde. Ich glaube, dass wir hier natürlich über Bonnorange weiter daran arbeiten müssen, dass es Sauberkeit im Stadtbild gibt und das auch verbessern müssen. Für katastrophal halte ich die Lage aber nicht.

Befürworten Sie mehr Videoüberwachung an Straßen und Plätzen? Wenn ja, wo?

Faber: Das Wo beantworte ich deshalb nicht, weil ich die Frage mit Nein beantworte. Ich finde die Diskussion auch ein Stück weit absurd. Ich habe mir im Vorfeld auch noch mal die Kriminalstatistiken angeschaut: In Bonn sinken in den vergangenen Jahren die Kriminalitätsraten, vor allem im Bereich der Straßenkriminalität. Dass es vor dem Hintergrund jetzt einen Bedarf für ausgeweitete und vielleicht flächendeckende Videoüberwachung des öffentlichen Raums gibt, das erkenne ich so nicht. Ist im Übrigen aber auch eine Frage, die im Prinzip das Polizeipräsidium entscheiden muss.

Michael Faber war der letzte OB-Kandidat auf dem heißen Stuhl.

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