Bonner Jura-Student ermöglichte das Willkommensfest in Heidenau Michael Fengler überzeugte die Richter

BONN · Michael Fenglers Smartphone klingelt pausenlos. Anrufe, SMS, Facebook - auf allen Kanälen versuchen Menschen den 25-jährigen Bonner zu erreichen. Manche wollen gratulieren, andere kritisieren, wieder andere einfach ein Interview.

 Flüchtlinge freuen sich über den freundlichen Empfang beim Willkommensfest in Heidenau. Ermöglicht hat ihn Michael Fengler.

Flüchtlinge freuen sich über den freundlichen Empfang beim Willkommensfest in Heidenau. Ermöglicht hat ihn Michael Fengler.

Foto: dpa

Seit Fengler vor fünf Tagen mit einer Verfassungsklage das Versammlungsverbot im sächsischen Heidenau kippte, muss sein Privatleben ganz schön zurücktreten. Denn zwischen den Terminen mit Medien aus ganz Deutschland bleibt nicht viel Zeit. "Aber heute Morgen war ich einkaufen", sagt Fengler. So viel Zeit muss sein.

Der Bonner studiert Jura im zehnten Semester. Er hat ein Auslandsjahr in England absolviert, arbeitet nebenbei als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei in Brühl. Als er am Donnerstagabend von dem Versammlungsverbot in Heidenau erfuhr, beschloss er, etwas zu unternehmen.

"Das Versammlungsverbot war offensichtlich rechtswidrig, eine Frechheit", sagt der 25-Jährige im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Kurzentschlossen legte Fengler eine Nachtschicht ein - und setzte eine Klage auf. Auf neun Seiten schilderte er, dass er gern das Willkommensfest in Heidenau besuchen wolle und wieso das Versammlungsverbot aus seiner Sicht nicht verfassungsgemäß sei. Die Mühe lohnte und das Verwaltungsgericht Dresden gab ihm Recht.

Sieg in zweiter Instanz

In zweiter Instanz kippte das sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen die Entscheidung und setzte das Versammlungsverbot wieder ein. Nur das Willkommensfest sollte stattfinden dürfen. Außerdem wurde Fengler ein Großteil der Prozesskosten auferlegt. Rund 1000 Euro sollte der Student zahlen.

Doch zum Glück hat Fengler Kontakte. Der 25-Jährige ist Vorsitzender der Jusos in Hardtberg. Am Samstagmorgen, er lag noch im Bett, klingelte sein Smartphone. Am anderen Ende der Leitung: SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, der anbot, die Gerichtskosten zu übernehmen.

"Im ersten Moment habe ich überlegt: Was habe ich jetzt wieder ausgefressen? Als Sigmar mir dann aber nur zu meinem juristischen Erfolg gratulierte und auch noch vorschlug, die Kosten zu übernehmen, fiel mir natürlich ein riesiger Stein vom Herzen", erzählt Fengler.

Per Eilantrag vor das Bundesverfassungsgericht

Zumal die Sache auch noch nicht ganz ausgestanden war. Denn mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes wollte Fengler sich nicht zufriedengeben. Mit einem Eilantrag brachte der Student den Fall vor das Bundesverfassungsgericht. Die Richter in Karlsruhe kippten die Entscheidung ihrer Bautzener Kollegen, erklärten das Versammlungsverbot in Heidenau für verfassungswidrig und sprachen Fengler auch von den Gerichtskosten frei.

"Das Geld, das Sigmar Gabriel dafür zur Verfügung stellen wollte, wird nun gespendet", sagt Fengler. Da er sich die Empfänger aussuchen darf, gehen 500 Euro an die Flüchtlingshilfe Bonn. "Ich komme aus Bonn, deshalb sollte auch ein Teil des Geldes hier in Bonn bleiben." Die restlichen 500 Euro erhalte der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein in Berlin, der sich deutschlandweit für Bürgerrechte einsetzt.

Enttäuscht von den Politikern

Dass er der Einzige war, der Klage gegen das Versammlungsverbot in Heidenau eingereicht hat, entsetzt Michael Fengler. Enttäuscht ist der Student vor allem von Politikern, die das Verbot zwar öffentlich aufs Schärfste verurteilt, aber nichts dagegen unternommen hätten. "Verfassungsbeschwerde einreichen kann schließlich jeder."

Der Rummel um seine Person überrascht den jungen Mann, der sein Abitur am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Ückesdorf gemacht hat. Die Flut an Nachrichten, Anrufen und Kontaktanfragen sei mittlerweile so groß, dass er kaum noch hinterher komme. "Das geht mir auch ein bisschen auf die Nerven. Hoffentlich hört das bald wieder auf."

Ab heute nimmt sich Fengler erst mal eine Auszeit, macht mit einer Freundin Urlaub an der US-amerikanischen Westküste. Weit weg von den deutschen Medien. Wenn er in drei Wochen wieder nach Bonn zurück kommt, wird der Wirbel sich gelegt haben - und Fengler wieder nur ein ganz normaler Student sein.

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