Das Kurfürstenbad ist kaputt und geschlossen, mit dem Neubau eines Hallenbades im Wasserland geht es nicht wirklich schnell voran. Was läuft hier verkehrt in dieser Stadt?
Interview mit dem Stadtsportbund-Vorsitzenden Michael Scharf: Die Politik hat bei den Bädern versagt
Bonn · Im Interview spricht Michael Scharf, Vorsitzender des Stadtsportbundes, über die Situation der Bäder in Bonn. Er will nun endlich Taten sehen und wirft der Stadt Versagen vor.
Der Sport in Bonn hat sich zu einem wichtigen Sprachrohr der Stadtgesellschaft entwickelt. Ob es um die Übernahme von Sportstätten durch Vereine, um die Situation bei den Bonner Bädern oder auch um den vorzeitig verlängerten Vertrag für den Generalintendanten geht. Der Vorsitzende des Stadtsportbunds (SSB), Michael Scharf (55), vertritt im Gespräch mit Rolf Kleinfeld klare Positionen.
Michael Scharf: Bei den Bädern gibt es ein kollektives Versagen der Politik, und zwar von allen Parteien. Und das seit 20 Jahren. Da kann sich keiner verstecken und sagen: Das war ich nicht, das wusste ich nicht.
Und die Rolle des Stadtsportbunds dabei?
Scharf: Wir hätten damals schon bei der Schließung des Viktoriabades reagieren müssen. Aber das wird uns beim Kurfürstenbad nicht noch einmal passieren. Die Politik und die Verwaltung sind jetzt gefordert, schnell etwas zu unternehmen, damit die Schwimmausbildung für Kinder in Bad Godesberg weitergehen kann.
Der SSB hatte die Idee, ein neues Hallenbad im Wasserland zu bauen. Ist das immer noch Ihre Position?
Scharf: Die Idee hatte unser Finanzvorstand Achim Dehnen. Wir finden sie großartig, weil sie mehrere Fliegen mit einer Klappe schlägt. Diese Lösung böte für fast jeden etwas - den Vereinen, dem Schulsport, den Freizeitschwimmern und der Stadt - und wäre außerdem schnell durchsetzbar. Aber jedem kann man es natürlich nicht recht machen.
Gegenwind kommt von Befürwortern des Frankenbades, das danach genau wie das Kurfürstenbad endgültig schließen müsste.
Scharf: Ich kann Einzelinteressen verstehen. Aber das Frankenbad ist doch unser nächstes Problem. Kein Mensch weiß doch, wie lange das noch hält. Die Kritik, der Weg zum Wasserlandbad wäre zu weit, kann ich nicht nachvollziehen. Man ist in rund 20 Minuten Fahrzeit von der Nordstadt aus dort.
Sind Sie kein Freund der alten Hallenbäder?
Scharf: Das hat damit nichts zu tun. Ich glaube nur, die Renovierung von Frankenbad und Kurfürstenbad würde viel teurer als der Neubau eines Wasserlandbades. Wir brauchen nach 20 Jahren Diskussion jetzt endlich den großen Wurf. Mir ist wichtig, dass die Wasserfläche dadurch nicht weniger wird. Wir bräuchten im neuen Bad also drei 25 Meter lange Becken.
Viele Bonner gehen nicht in die Hallenbäder. Warum?
Scharf: Ein Punkt ist: Das Angebot der Stadt ist schon von den wechselnden Öffnungszeiten her zu kompliziert und geht an den Bürgern vorbei. Als erstes bräuchte ich mal eine App für das Handy, die mir sagt, wann welches Bad überhaupt geöffnet hat. Und dann brauchen wir vor allem eine andere Dienstleistungsmentalität.
Wie finden Sie die Idee, eine Traglufthalle auf ein Freibad zu stellen, um es auch im Winter zu betreiben?
Scharf: Das könnte eine Notlösung sein, woanders hat man das ja schon gemacht. Ob das für Bonn in Frage kommt, muss man seriös untersuchen. Aber dafür hätte man sofort einen Stab bilden müssen. Jetzt ist es wohl zu spät dafür, diese Idee noch in diesem Winter umzusetzen.
Haben Sie Befürchtungen, dass eine Entscheidung in Sachen Bäder durch den Landtagswahlkampf 2017 auf die lange Bank geschoben wird.
Scharf: Ja. Aber das darf nicht passieren. Das Thema Bäder muss jetzt endlich für die nächsten 20 oder 30 Jahre beendet werden. Und das heißt: Entweder das Wasserlandbad bauen oder das Kurfürstenbad sofort reparieren und wieder öffnen.
Anderes Thema: Bei der von Ihnen kritisierten vorzeitigen Verlängerung des Intendantenvertrages in der Kultur haben Sie eine Niederlage erlitten. Wie gehen Sie damit um?
Scharf: Stimmt, das war eine Niederlage, allerdings eine ehrenwerte. Es war ein gesamtstädtisches Thema, über das wir auch lange intern diskutiert haben. Viele andere Gruppen haben sich dabei zurückgehalten, während wir es in die Öffentlichkeit getragen haben.
Nach der Entscheidung des Stadtrates wurde der Vertrag mit dem Intendanten gleich am nächsten Tag unterschrieben. Hat Sie das geärgert?
Scharf: Das nicht. Aber ich vermute, dass man bei der Stadt die Befürchtung hatte, dass der SSB nach der Ratsentscheidung noch mal aktiv wird.
Und? Wird er? Auf das angedeutete Bürgerbegehren verzichtet der SSB schließlich.
Scharf: Das stimmt. Unser juristischer Beistand gab zu bedenken, dass es keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, weil im Moment der Vertragsunterschrift der Ratsbeschluss nicht mehr angreifbar ist. Aber um es klar zu sagen: Wir warten jetzt nicht bis 2023, also dem Ende des Intendantenvertrags. Wir können uns zu jedem Zeitpunkt als Sportler mit einem Bürgerbegehren zur Höhe der Kulturförderung in Bonn einbringen.
Wie soll das funktionieren?
Scharf: Der Rat hat sich für eine Höhe und eine Laufzeit der Kulturausgaben bis 2023 entschieden. Aber nach unseren Informationen kann sich die Stadt nur auf die Zeitspanne des Doppelhaushaltes 2017/18 unabänderlich festlegen. Alles andere sind Absichtserklärungen, die der Rat wieder ändern kann. Der Rat kann aber auch durch ein Bürgerbegehren zu einer Änderung gezwungen werden.
Der Sport hat doch selbst einen Sportvertrag erhalten. Was ist daran anders als bei der Kultur?
Scharf: Der Sportvertrag garantiert uns 1,3 Millionen Euro Zuschuss pro Jahr und kann erst zum Ende des Jahres 2017 gekündigt werden. Aber schauen Sie sich mal die Beträge an. Bei der Kultur geht es um 30 Millionen Euro pro Jahr. Und es könnte sein, dass durch diese Festlegung alle anderen Sparten der Stadt in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wann wird es eigentlich so weit sein, dass der erste Verein eine Sportanlage der Stadt übernimmt?
Scharf: Hoffentlich wenn das Sportstättenkataster und der Sportstättenentwicklungsplan vor-liegen. Erst dann haben Vereine belastbare Aussagen über die Kosten. Das kann aber noch dauern. Wir versuchen jedenfalls seit 2012, diese Sache auf den Weg zu bringen. Man kann allein schon aus der seit 2012 vergangenen Zeit den Eindruck gewinnen, dass die Verwaltung an dem Projekt kein Interesse hat und die Politik keine Handhabe hat, um den Prozess zu beschleunigen.