Selbstversuch Mit dem Klangfahrrad durch Bonn

BONN · Sie rollen, fahren und bremsen - und unterhalten auch noch mit Geräuschen. Klangfahrräder eben, wie sie die britische Künstlerin Kaffe Matthews entwickelt hat. Wer will, kann sich eines der insgesamt 13 akustisch aktiven Räder ausleihen - und Bonn einmal ganz anders erleben.

 Die Boxen und die schwarze Kiste auf dem Gepäckträger lassen vermuten, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Rad handelt, mit dem GA-Mitarbeiterin Carolin Lampe am Rhein Station macht.

Die Boxen und die schwarze Kiste auf dem Gepäckträger lassen vermuten, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Rad handelt, mit dem GA-Mitarbeiterin Carolin Lampe am Rhein Station macht.

Foto: Kugler

Seit März hat Matthews aufgenommen, wie sich das Bonner Stadtleben anhört. Wer mit dem Klangfahrrad - oder Sonic Bike, wie es im Original heißt - durch die Stadt fährt, vollführt einen performativen Akt: Aufgenommene Geräusche treffen unterwegs mit der Gegenwart zusammen. Das Fahrrad als akustische Enklave Bonns durchquert die Bonner Straßen; Bonn fährt durch Bonn.

So tönt aus den Lautsprechern, die beiderseits des Lenkers angebracht sind, vor dem Münster etwa lautes Glockenläuten. Wie das Rad die Verbindung herstellt? Es ist mit GPS, einem satellitengestützten Ortungssystem, ausgestattet, und rund um das Münster wird nicht geklingelt, sondern geläutet. An das GPS-Gerät ist ein kleiner Computer angeschlossen, der in einer schwarzen Box auf dem Gepäckträger mitfährt. Je nach Position in der Stadt ertönen verschiedene Klänge. Das ungewöhnliche Rad kann aber noch mehr: Teilweise imitieren die Geräusche aus den Fahrradlautsprechern die Aktivität menschlicher Organe. So erklingt nach einigen dumpfen Bassschlägen mitten auf der Poppelsdorfer Allee eine Stimme aus den Boxen: "This is the frequency at which your kidney vibrates", also "Dies ist die Frequenz, in der deine Niere vibriert".

Ein bisschen erinnert das Ganze an Filmmusik: Während man langsam durch die Straßen gleitet, Menschen, Gebäude, den Rhein betrachtet, sind die Fahrradklänge als akustische Metaimpressionen immer mit dabei. Wie ein Soundtrack, der Szenen Atmosphärik, Situationen Emotionalität, visuellen Reizen Ausdruck verleiht, produziert das Klangfahrrad die musikalische Untermalung, die im Leben sonst fehlt. Auf die Art dieser Untermalung hat der Mensch auf dem Rad allerdings keinen Einfluss: Ob Straßenbahngeräusche, Autolärm, orientalische Musik oder psychedelisch-abstrakter Lärm, jeder akustische Eindruck wird fahrenderweise durch die Stadt getragen.

Manchmal bedarf es durchaus ein wenig Selbstbewusstsein: Gerade an der engen Unterführung zwischen Hauptbahnhof und Poppelsdorfer Allee wird es besonders laut, und das Rauschen und Krächzen, das aus den Boxen dröhnt, hallt von den Wänden des Tunnels wider. Verwirrte Blicke und neugieriges Stehenbleiben sind da die Regel. Das Klangfahrrad als Kuriosum zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Meist ist die positiver Natur, und man erntet Lächeln und freundliche Blicke. Viele Passanten fragen nach, was es mit den tendenziell skurrilen Rädern auf sich hat. Nur ein Mann ist weniger begeistert und will wissen, ob man denn die Lautsprecher auch ausstellen könne.

Rund eine Stunde braucht es, um die Hauptklangräume abzufahren. Kaffe Matthews empfiehlt, über Münster- und Kaiserplatz, entlang der Poppelsdorfer Allee, in Richtung Uni und zum Rhein zu fahren. Radelt man zu weit, verstummen die Lautsprecher. Manchmal ist das aber durchaus Entspannung für die Ohren. Die Lautstärke ist teilweise enorm und ein bisschen Stille zwischendurch sehr erholsam. Besonders schön ist die Rückfahrt vom Rhein, an der Universität entlang, zur Klangradstation an der Friedrichstraße: Rund um die Alma mater ertönt entspannte Jazzmusik, die gerade bei sonnigem Wetter gute Laune macht. Beinahe fühlt man sich ins New York der 50er Jahre versetzt. Oder, um die Brücke zum Anfang zu schlagen: in einen Film über das New York der 50er.

Die Klangfahrräder können täglich zwischen 12 und 20 Uhr in der Bonner Schule, Friedrichstraße 10, zur kostenfreien Rundfahrt ausgeliehen werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort