Bonnerin gibt Tipps Wie Eltern und Lehrer mit Kindern über den Krieg sprechen können

Bonn · Der Krieg in der Ukraine ist als Thema längst auch in den Schulen und somit bei Kindern und Jugendlichen in Bonn angekommen. Die Pädagogin Isabel Ruland rät Eltern und Lehrern, sie damit nicht allein zu lassen.

 Eltern sollten ihre Kinder mit den Nachrichten zu den Ereignissen in der Ukraine nicht allein lassen, rät eine Expertin. (Symbolfoto)

Eltern sollten ihre Kinder mit den Nachrichten zu den Ereignissen in der Ukraine nicht allein lassen, rät eine Expertin. (Symbolfoto)

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Bei den Bonner Friedensdemonstrationen laufen Kinder mit Anti-Putin-Schildern mit. Und auch in den Schulen ist das Thema Krieg in der Ukraine seit letztem Donnerstag angekommen. „Wir versuchen, den Schülern das Gefühl zu geben, in Sicherheit zu sein,“ erklärt Elke Buttgereit, stellvertretende Leiterin der Gemeinschaftsgrundschule Medinghoven. Gerade bei Kindern, deren Herkunftssprache Russisch ist, sei jetzt ein großes Fingerspitzengefühl verlangt. Aber auch die Schüler, die als Flüchtlinge aus syrischen Kriegsgebieten kamen und zum Teil noch therapeutisch unterstützt werden müssen, stünden jetzt wieder unter Druck. „In was für einer Welt wachsen unsere Kinder auf? Ich bin fassungslos“, sagt Buttgereit.

Gottesdienst wird zum Friedensgebet

Christoph Weigeldt bestätigt, dass die Worte der Außenministerin, man sei am Donnerstag in einer anderen Welt aufgewacht, auch für Schüler gelte. „Unsere Schülervertretung hat sich klar gegen den Krieg geäußert“, berichtet der Schulleiter des Amos-Comenius-Gymnasiums über eine Rundmail. Allen Klassen sei am Aschermittwoch in der ersten Stunde der Austausch über den Gewaltexzess in Europa angeboten worden. Der Schulgottesdienst wurde in Rücksprache mit der evangelischen Gemeinde zum Friedensgebet umgestaltet, das Schüler mitgestalteten. „In der Schule können wir versuchen, die Gefühle in Worte zu fassen und aufzufangen“, sagt Weigeldt. Womit er seiner Kollegin Daniela Römmelt, Leiterin der Gertrud-Bäumer-Realschule, aus dem Herzen spricht. „Auch wir haben uns darauf vorbereitet, auf alle Schülerfragen altersgerecht zu antworten.“

Die Bonner Pädagogin und Kriminologin Isabel Ruland bestätigt die Beobachtungen der Schulleiter. „Kindern macht der Ausbruch des Krieges in der Ukraine Angst“, sagt die Fachbuchautorin. Und zwar nicht nur ukrainischen Kindern, die hier leben und sich um Angehörige sorgen. Auch die anderen Heranwachsenden seien inzwischen von Unsicherheit betroffen. Das Thema laufe in den Nachrichten, auf den Handys, in den Familien, in Schulen und sogar in Kindertagesstätten. „Und da sorgt es schlagartig für neue Verunsicherung“, hat die Pädagogin beobachtet. Was eine Herausforderung darstelle: Denn die jungen Leute seien durch die Pandemie ja schon seit zwei Jahren belastet und "dünnhäutig". Es sei nun ungemein wichtig, Kinder aller Alterststufen mit dieser Angst nicht allein zu lassen.

Experte rät: Die Sorgen der Kinder ernst nehmen

Was nicht helfe, seien bloße Sätze wie: „Du brauchst keine Angst zu haben“ oder das Vorgaukeln von Normalität. Krieg sei ein Auslöser von Angst, wie er unmittelbarer kaum sein könne. „Die Sorge unserer Kinder ist berechtigt und verdient, ernst genommen zu werden.“ Ruland rät Erwachsenen erst einmal, Kindern dieser Tage besonders gut zuzuhören und auch für zwischen den Zeilen Gesagtes sensibel zu sein. „Je jünger Kinder sind, umso mehr ergänzen und ersetzen sie Wissenslücken durch magisches Denken, durch Fantasiebrücken“, warnt die Pädagogin. Jugendliche wiederum verstöre, was an Falschinformationen durch unseriöse oder soziale Medien geistere.

Die Erwachsenen sollten auf alles das altersgerecht eingehen, sagt Ruland. Dabei könne Kindern der TV-Sender KIKA hilfreich sein. Jugendlichen möge man zu seriösen Medien lotsen. „Sagen Sie, dass Sie sich auch Sorgen machen, Kinder fühlen sich so emotional verstanden“, heißt ein weiterer Rat. Und man möge thematisieren, dass Menschen im Krieg sterben können. Aber man betone immer auch, dass Familien in Deutschland durch den Ukraine-Konflikt aktuell nicht bedroht seien, erläutert Ruland. Wobei man das Thema möglichst nicht gerade vor dem Schlafengehen besprechen möge. Das sei bei Kindern für die Nachtruhe viel zu belastend.

 Die Bonner Pädagogin und Kriminologin Isabel Ruland rät Eltern, Kindern keine Normalität vorzugaukeln in Anbetracht des Krieges in der Ukraine.

Die Bonner Pädagogin und Kriminologin Isabel Ruland rät Eltern, Kindern keine Normalität vorzugaukeln in Anbetracht des Krieges in der Ukraine.

Foto: Benjamin Westhoff

Ziel: Kontrolle über die Situation zu wahren

Lehrer, Eltern und Erzieher sollten versuchen, Kontrolle über die Situation zu bewahren, rät die Expertin. „Vermitteln wir immer: Egal, was passiert, wir finden eine Lösung“, meint Ruland. Man könne spenden. Man könne hier lebende ukrainische Schulfreunde trösten. Man könne sich vorbereiten, zu helfen, wenn es nötig sein sollte, Flüchtlinge aus der Ukraine zu unterstützen. „Wir können auf eine Friedensdemonstration gehen und zusammen mit anderen Menschen selbstgemalte Plakate für den Frieden hochhalten“, gibt Ruland als Tipp. Das alles könnten Kinder und Jugendliche mitmachen und damit das Gefühl erlangen, nicht vor der eigenen Ohnmacht wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen.

„Seien Sie der Fels in der Brandung“, folgert die Pädagogin daraus für Eltern und Erzieher. Kinder und Jugendliche brauchten gerade aktuell Sicherheit in der persönlichen Beziehung. Fragen zu beantworten, Gefühle aufzufangen, zu trösten und in der Alltagsroutine die Verantwortung zu behalten, das müsse die Devise sein, damit Kinder und Jugendliche nicht von ihren Sorgen erdrückt werden. Denn sie brauchten doch immer auch wieder Momente, in denen sie konzentriert mit etwas ganz anderem beschäftigt sein oder fröhlich spielen könnten.

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