Berufswahl für Mädchen in Bonn Mit Kopftuch ist die Jobsuche schwer

BONN · Junge Muslima wollen Vorurteilen mit guten Argumenten begegnen. Die Bonner Fachstelle für interkulturelle Bildung und Beratung hat diese in einer neuen Broschüre zusammengefasst.

Elifran hat ein gutes Zeugnis. Alle Noten sind im oberen Bereich, sie ist fleißig, freundlich, zuvorkommend und höflich. Deshalb machte die 16-Jährige sich auch keine Sorgen, als sie einen Praktikumsplatz für ihren Fachoberschulabschluss suchte. „Ich hätte sofort eine entsprechende Stelle in einer Apotheke bekommen“, erzählt sie. Allerdings hatte die Chefin gefordert, dass sie nur kommen darf, wenn sie ihr Kopftuch ablegt. Für eine gläubige Muslima wie Elifran war das unmöglich.

„Das wäre so, als wenn wir nur leicht bekleidet zur Arbeit gehen müssten“, beklagt Marlies Wehner von der Bonner Fachstelle für interkulturelle Bildung und Beratung, kurz FiBB. Die Erfahrung, die Elifran machte, sei kein Einzelfall. Junge Frauen, auch mit Kopftuch, sind wichtig für die Zukunft deutscher Unternehmen, lautet deshalb die Botschaft einer Broschüre, die muslimische Mädchen gemeinsam mit der Fachstelle entwickelt haben.

„Jeder dritte Arbeitgeber lehnt Frauen mit Kopftuch ab. Gleichzeitig macht die Statistik deutlich, dass Betrieben die Nachwuchsfachkräfte zunehmend ausgehen. Dem wirken wir entgegen“, erläutert Wehner. Das von der „Aktion Mensch“ geförderte Projekt stärkt junge Muslima darin, der Benachteiligung systematisch zu begegnen. Auch die Unternehmen profitierten davon, Vorurteile abzubauen und sich für neue Ressourcen zu öffnen.

„Es geht um Respekt und Selbstbestimmung“

„Es geht nicht einfach nur um das Kopftuch“, ergänzt Faik Salgar von der Fachstelle. „Es geht um Respekt und Selbstbestimmung.“ Deshalb wolle man die Mädchen stark machen und ihnen zeigen, wie sie sich gegen Vorurteile wehren können. „Wir wollen die Voreingenommenheit durch gute Argumente bekämpfen. Denn Deutschland ist ein Einwanderungsland, in dem sich jeder wohlfühlen soll.“

Elifran hat einen Praktikumsplatz bei einem Bonner Immobilienmakler gefunden. „Dort bin ich mit offenen Armen empfangen worden. Die Chefin sagte gleich, dass es in einer multikulturellen Stadt wie Bonn kein Problem sei, wenn eine Mitarbeiterin Kopftuch trage. Und wer damit ein Problem habe, auf den könne die Firma verzichten.“

Ganz andere Erfahrungen hat Canan gemacht. Sie hatte sich für ein Betriebspraktikum darauf eingelassen, ihr Kopftuch abzulegen. Die junge Frau hatte einen so guten Eindruck hinterlassen, dass ihr nach drei Wochen ein Ausbildungsplatz angeboten wurde. „Aber nur wenn ich ohne Kopftuch komme“, berichtet die 16-Jährige. „Doch darauf will ich mich nicht einlassen. Das Kopftuch gehört zu mir.“ Schließlich, so betonen die Mädchen, tragen sie das Kopftuch freiwillig und mit Stolz.

„Vorurteilsfrei ist keiner. Das ist normal. Wichtig ist, dass man die eigene Voreingenommenheit reflektiert und jedem eine Chance gibt“, fordert Wehner. Um Arbeitgeber auf das Problem aufmerksam zu machen, wird die Fachstelle die Broschüre in Bonn und der Region bei Veranstaltungen sowie über die IHK und die Handwerkskammer verteilen.

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