Verein "Radeln ohne Alter" Mit Senioren in der Rikscha von Bonn nach Berlin

Bonn · Der Verein „Radeln ohne Alter“ kutschiert seit fast einem Jahr in seinen Rikschas Senioren durch Bonn. Im September geht der Verein auf Reisen. Dann steuern Nicole Florin, Wolfgang Sepcke und weitere „Rikscha-Piloten“ ihre Flotte von Bonn bis nach Berlin.

 Mit „Fritz“ unterwegs: Zwei Senioren kutschiert Natalie Chirchietti vom Verein „Radeln ohne Alter“ mit der Farradrikscha durch Bonn.

Mit „Fritz“ unterwegs: Zwei Senioren kutschiert Natalie Chirchietti vom Verein „Radeln ohne Alter“ mit der Farradrikscha durch Bonn.

Foto: Privat

Nicole Florin und Wolfgang Sepcke sind in einem Bonner Seniorenzentrum, um „Fritz“ abzuholen. Kein Bewohner, sondern eine Fahrrad-Rikscha. Die ist sportlich rot lackiert, motorisiert und steht auf drei großen Reifen. Hinten strampelt der Fahrer, vorne können zwei Fahrgäste Platz nehmen. Die Mitglieder des Bonner Vereins „Radeln ohne Alter“ haben diese, wie alle ihre Rikschas, nach den eigenen Großeltern benannt. So ist Opa Fritz seit knapp einem Jahr in guter Erinnerung und in bester Gesellschaft, denn auf den beiden Rikscha-Sitzen nehmen gleich zwei Senioren Platz und lassen sich durch Bonn kutschieren.

In vier Wochen will der Verein den „Radweg Deutsche Einheit“ zurücklegen und dabei Senioren aus sieben Bundesländern jeweils für ein Etappe mitnehmen. Zurück nach Hause gebracht werden die Passagiere dann am Ende des Tages mit Bussen. Bonn-Berlin, das passe gut, erklärt Natalie Chirchietti, Vereinsgründerin und zweite Vorsitzende. Der Verein soll Jung und Alt zusammenführen, warum also nicht gleich die junge und alte Hauptstadt miteinander verbinden? Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, wollen die Radler mit ihren Rikschas durchs Brandenburger Tor ins Ziel einfahren.

Alles im Zeichen der Wiedervereinigung

Die Aktion steht ganz im Zeichen der Wiedervereinigung. In diesem Sinne wählten sie statt dem 500 Kilometer kürzeren Direktweg lieber die „politische“ Strecke mit 1100 Kilometern. Auf dem „Radweg Deutsche Einheit“ liegen viele historische Ziele sowie regelmäßige Auflademöglichkeiten, die der E-Mobilität als moderner Alternative zum Auto dienen. Fritz und die anderen Rikschas sind mit Elektroantrieb ausgerüstet.

Unterwegs werden Einrichtungen des DRK, der Caritas, der Diakonie und anderer Wohlfahrtsverbände die Radler mit offenen Armen empfangen. Insgesamt gehören dem Verein in Bonn etwa 40 Rikscha-Piloten und nochmal so viele Fördermitglieder an. Chirchietti und Mitgründerin Caroline Kuhl sind die einzigen, die sich an die komplette Strecke nach Berlin herantrauen. Nicole Florin und Wolfgang Sepcke stoßen jeweils für einzelne Etappen dazu. „Ich liebe ältere Menschen einfach unheimlich, sie haben so viele spannende Geschichten zu erzählen“, sagt Florin. „Am schönsten ist, was an Dankbarkeit zurückkommt“, findet Sepcke und Florin widerspricht ihm gleich: „Am schönsten ist doch erstmal, was bei denen ankommt.“

Die beiden präsentieren Fritz bei strahlendem Sonnenschein den staunenden Rentnern. Die meisten kennen das Projekt noch nicht, und manche Bewohner leiden an fortgeschrittener Demenz. Ein Herr etwa fürchtet, dass er, einmal eingestiegen, fortgekarrt würde und dann den ganzen weiten Weg zum Seniorenzentrum zurücklaufen müsse. Manche von ihnen sind gebrechlich, aber dank des großen Aufzugs kann die Rikscha sie sogar oben in ihrem Wohnbereich zur Spritztour abholen.

"Beim Radeln viele Freundschaften geschlossen"

Wenn es sich die Fahrgäste einmal auf der Doppelbank gemütlich gemacht haben, lassen sie sich von der Panorama-Aussicht unterwegs schnell den Kopf verdrehen. Tatsächlich – wie es der Verein in seinem Slogan verspricht – weht der Fahrtwind den Passagieren um die Nasen. Chirchietti hat beim Radeln viele Freundschaften geschlossen. Ihren 27. Geburtstag feierte sie sogar im Seniorenheim. „Das Beste ist, die Senioren nehmen einfach kein Blatt vor den Mund“, sagt Chirchietti, die sich seit der Vereinsgründung gefühlt mehr mit „Radeln ohne Alter“ beschäftigt als mit ihrem Job als Betriebswirtin. „Work-Life-Balance ist seitdem schwierig geworden“, sagt sie.

Im Herbst holt sie der Rikscha-Ruf ganz heraus aus ihrem Alltag und weg von allem anderen. Wenn am 5. September die Schar der Rikschas wie Zugvögel nach Berlin aufbricht, schütteln manche von Chirchiettis Freunden nur den Kopf. „Die finden das mindestens abenteuerlich, wenn nicht sogar verrückt“, gesteht sie. Aber Chirchietti macht es nicht aus reiner Wohltätigkeit. Sie muss sogar die Stirn runzeln, wenn man es als ein Ehrenamt bezeichnet: „Das ist meine persönliche Altersvorsorge“, scherzt sie. Es sei schließlich irgendwo auch eine Art Generationenvertrag. Eines Tages wird sie vielleicht selbst aus der Rikscha heraus die Welt entdecken.

Radeln ohne Alter: Mehr Informationen unter Tel. 01 57/89 08 62 84 oder nach einer E-Mail an bonn@radelnohnealter.de

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