Interview mit Ärztin Noorjehan Majid "Mitten im Krieg gegen HIV und Aids"

Mit dem HI-Virus kann man sich nicht nur bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr und mangelnder Hygiene beim Nadeltausch infizieren, sondern schon im Mutterleib während der Schwangerschaft. Genau hier setzt das Programm "Dream" an, das die Gemeinschaft Sant'Egidio 2001 in Mosambik gestartet hat.

Es wird von der Deutschen Aids-Stiftung mit Sitz in Bonn unterstützt, die dafür unter anderem die 4. Festliche Operngala ausrichtet, die bereits ausverkauft ist. Dank "Dream" wurden seit 2002 schon mehr als 260 000 Patienten behandelt und werden es ihr Leben lang. Ein Ziel ist es zu verhindern, dass sich das Virus von infizierten Schwangeren auf Neugeborene überträgt. Mit der Leiterin des Programms, Noorjehan Majid, sprach Nicolas Ottersbach.

Wie kommt das Programm voran?
Noorjehan Majid: Mittlerweile haben wir mehr als 40 Gesundheitszentren in zehn afrikanischen Ländern aufbauen können. Insgesamt erreichen zurzeit alle Therapieeinrichtungen in den Entwicklungsländern eine Abdeckung von 35 bis 40 Prozent. Das ist gut, aber wir schaffen es trotzdem nur, etwa ein Drittel der Patienten zu behandeln, die es nötig haben. Um zu wachsen, fehlen uns die finanziellen Mittel.

Wie wird Dream finanziert, wenn die Behandlung für die Patienten kostenlos ist?
Majid: Durch Spenden und Regierungen. Beispielsweise investiert die deutsche Entwicklungshilfe in den Aufbau der Gesundheitszentren. Aber sie müssen nicht nur gebaut, sondern auch betrieben werden. Die Gemeinschaft Sant'Edigio steckt mehr als sechs Millionen Euro in Medikamente, Nahrungsmittel, Moskitonetze oder auch Filter, um das Wasser zu reinigen. Dieser Betrag gilt für die zehn Länder, in denen wir arbeiten. Die Deutsche Aids-Stiftung gibt jedes Jahr mehr als 300 000 Euro allein für die Zentren in Mosambik, durch die vor allem laufende Kosten gedeckt werden. Ohne diese Spende hätten wir große Probleme. Ein Patient kostet jedes Jahr etwa 500 bis 600 Euro.

Also braucht Dream stetig mehr Geld?
Majid: Ja, aber das Programm ist mit den Jahren auch effizienter geworden. Wir haben die Kosten pro Patient stark gesenkt. Durch größere Bestellungen können wir die Preise von Medikamenten drücken. Menschen, die schon länger von uns versorgt werden, helfen ehrenamtlich als Assistenten. Trotzdem werden unsere Kosten natürlich exponentiell größer, weil wir mehr Patienten behandeln.

Wie wichtig sind die Assistenten?
Majid: Wissen Sie, es macht einen Unterschied, ob Sie mit jemandem sprechen, der ihre Situation schon einmal durchlebt hat, oder mit jemandem, der nur darüber redet. Die Assistenten gehen zu den Patienten nach Hause, erzählen von ihren Erfahrungen. Die Pillen reduzieren die Virenpopulation und stärken das Immunsystem. Bevor man sich wohler fühlt, geht es einem schlecht. Das haben die Assistenten bereits durchgemacht. Berichten, wie krank sie sich gefühlt haben, wie wichtig es aber auch ist, die Medikamente regelmäßig und gewissenhaft zu nehmen. Wird das nicht gemacht, ist die ganze Behandlung sinnlos.

Was gehört alles zu dieser Behandlung?
Majid: Zu allererst der HIV-Test. Jeden Tag kommen Menschen in die Zentren und fragen danach. Das können wir auch leisten. Dann die Medikamente, die HIV hemmen. Die Patienten werden nicht geheilt, können aber ein fast normales Leben führen. In 98 bis 99 Prozent der Fälle gelingt es, während der Schwangerschaft die Weitergabe des Virus an die nächste Generation zu verhindern. So können Kinder ohne die Krankheit aufwachsen, selbst wenn ihre Eltern an Aids erkrankt sind. Das alles funktioniert nur, wenn die Patienten auch richtig ernährt werden. Da haben wir momentan starke Probleme, weil die Lebensmittelversorgung durch die Regierung nicht zuverlässig ist. Dann müssen wir selbst einkaufen.

Wie wird sich das Programm langfristig entwickeln?
Majid: Mittlerweile sind wir über zehn Jahre dabei. Die Kinder, die durch Dream damals nicht mit HIV infiziert wurden, sind Teenager. Die Eltern haben überlebt, müssen aber noch immer betreut und behandelt werden. Alles läuft nach europäischen Standards ab, die Labore sind gut ausgestattet. Dieses Level müssen wir halten und für mehr Menschen zugänglich machen. Wir sind noch mitten im Krieg gegen HIV und Aids.

Zur Person

Noorjehan Majid wurde in Mosambik geboren und studierte Medizin. Die 43-Jährige arbeitete unter anderem in einem ländlichen Gesundheitszentrum, in dem vor allem Tuberkulose-Patienten behandelt wurden. So kam sie 2002 zum AVM-Projekt der Antiviral Medication. Dabei werden Viruserkrankungen durch intensive Anwendung von Medikamenten kuriert. Das Programm wurde von der Gemeinschaft Sant'Egidio-Gemeinde entwickelt. Majid gehört zum Leitungsgremium der katholischen Gemeinschaft und ist medizinische Leiterin des Dream-Programms in Mosambik.

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