Asylant vor Bonner Schwurgericht Mordversuch im Flüchtlingsheim

BONN/REICHSHOF · Was geschah wirklich am 2. September 2014 im Asylbewerberheim in Reichshof-Hunsheim im Oberbergischen? Diese Frage beschäftigt seit Dienstag das Bonner Schwurgericht, vor dem sich ein 28-jähriger Flüchtling aus Eritrea wegen versuchten Mordes an einem Mitbewohner verantworten muss.

Der Angeklagte ist als politisch verfolgter Asylant anerkannt. Was er in seiner Heimat erlebt hat, warum er von dort flüchtete und seit 2012 in deutschen Heimen lebt, kam gestern noch nicht zur Sprache. Erkennbar war jedoch gleich zu Prozessbeginn, welches Misstrauen den 28-Jährigen plagt: Er weigerte sich zunächst, neben Verteidiger und dem Dolmetscher, den er überdies der falschen Übersetzung bezichtigte, Platz zu nehmen. Und als er den Saal für einen Toilettengang in Begleitung von Justizwachtmeistern verließ, nahm er seine Papiere mit.

Die Bonner Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe am Tatabend seinen schlafenden Zimmergenossen, einen 42-jährigen Mann aus Algerien, der in Seitenlage im unteren Stockbett lag, auf den Rücken gedreht und ihm in den Bauch gestochen. Und als der Mann sich gewehrt habe, habe er ihm auch noch in Brust und Genitalbereich gestochen. Der Mann war lebensgefährlich verletzt und überlebte nur dank einer Notoperation. Der Angeklagte aber bestreitet nun jede Tötungsabsicht. Er gibt zwar die Stiche zu, schildert jedoch mit Hilfe des Dolmetschers für die amharische Sprache eine völlig andere Version des Geschehens. Es ist das erste Mal, dass er gesteht, zugestochen zu haben. Bislang hatte er einen anderen Heimbewohner der Tat bezichtigt.

Will man ihm glauben, so begann der Konflikt zwischen ihm und dem Mann aus Algerien bereits in einem anderen Heim, in dem sie beide untergebracht waren. Über die Gründe sagte der Angeklagte nichts. Aber er berichtete, wie er mit dem 42-Jährigen bereits mehrfach aneinandergeraten sei, wie der andere ihn in der früheren Unterkunft mit einem Messer verfolgt habe. Tatsächlich wurde der Angeklagte 2014 wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Schließlich kam der 28-Jährige in das Heim in Reichshof, wo er als Einzelgänger galt.

Am 2. September tauchte dort auch der 42-Jährige auf - als neuer Bewohner und Zimmergenosse. Und als sie beide abends im Zimmer gewesen seien, so sagte er nun, und seine Schuhe ausgezogen habe, habe ihn der 42-Jährige von hinten gepackt und ihm so die Luft abgedrückt, dass er dessen auf dem Bett liegendes Messer genommen und rückwärts zugestochen habe. Wie Schwurgerichtsvorsitzender Josef Janßen erklärte, soll der 42-Jährige zu einem anderen Heimbewohner gesagt haben, er habe noch eine Rechnung mit dem 28-Jährigen offen. Am 18. August will sich das Gericht ein Bild vom Tatort machen.

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