Immer donnerstags am Bonner Münster Neuer Gottesdienst verbindet Christen, Muslime und Juden im Gebet

Bonn · Münsterpfarrei und Universität haben den ersten multireligiösen Gottesdienst gefeiert. Das Gebet sei „Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung der Religionen für die Zukunft der Welt“, sagt Stadtdechant Wolfgang Picken.

 Im Kapitelsaal des Münsters beten Menschen verschiedener Religionen gemeinsam.

Im Kapitelsaal des Münsters beten Menschen verschiedener Religionen gemeinsam.

Foto: Benjamin Westhoff

Gebete und Stille verbinden: Im Kapitelsaal des Bonner Münster haben Münsterpfarrei und Universität Bonn am Donnerstag den ersten multireligiösen Gottesdienst gefeiert. Das neue Angebot vereint Elemente aus Judentum, Christentum und Islam, lädt aber auch Menschen aus anderen Traditionen dazu ein, den Alltag zu unterbrechen. Mit mehr als 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren zum Auftakt alle Plätze im Kapitelsaal besetzt.

Ein Raum für alle – das ist das Ziel von internationalem Zentrum für vergleichende Religionswissenschaften (CTSI) der Uni und Münsterpfarrei. Das Gebet sei „Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung der Religionen für die Zukunft der Welt“, sagte Stadtdechant Wolfgang Picken. Besonders vor dem Hintergrund des Terrors in Israel und vieler anderer bewaffneter Konflikte weltweit zeige sich, wie wichtig es sei, dass die Religionen das Verbindende suchten und multikulturelle Gebete pflegten. Sie sollen bis auf Weiteres jeden Donnerstag von 14 bis 14.30 Uhr am Münster stattfinden. „Das kann helfen, Auseinandersetzungen zu beenden, falschen religiösen Fanatismus zu überwinden und Impulse für das Überleben von Schöpfung und Menschheit zu setzen“, sagte Picken.

Professor Klaus von Stosch von der Katholisch-Theologischen Fakultät und seine Kolleginnen Nasrin Bani Assadi und Annette Boeckler aus dem CTSI führten durch den multireligiösen Gottesdienst. „Die Idee hatten wir eigentlich schon im Juli mit der zentralen Frage, ob so etwas möglich ist. Wir haben festgestellt, dass wir alle ganz unterschiedliche Zugänge zu der Frage haben, was Gebet überhaupt ist“, sagt Boeckler. „Für den einen wird das heute ein Gebet gewesen sein, für den anderen eine schöne Erfahrung.“

Nach der musikalischen Einstimmung und dem Läuten einer Glocke folgt ein muslimischer und ein jüdischer Gebetsruf. Alles sei durch Gespräche entstanden, so die Initiatoren. Natürlich habe es viele Punkte gegeben, mit denen die jeweils anderen nicht ganz konform waren. „Wie fängt man einen Gottesdienst an? Das ist für Christen das Glockengeläut, für Muslime wie Juden der Ruf zum Gebet. Das macht man aber nur, wenn man zehn jüdische Leute hat“, so Boeckler. „Wir sind aber zunächst nicht davon ausgegangen, dass wir die beim gemeinsamen Gottesdienst haben werden. Was macht man also alternativ?“Die Antwort: Es sei ein multireligiöses Gebet gewählt worden, bei dem Jüdinnen und Juden das „Schma Jisrael“ rezitieren, eine Textkompositon aus drei Zitaten der Thora mit Lobsprüchen zu Beginn und am Ende.

Nahost-Konflikt rückt Klimathema in den Hintergrund

Zum Schluss des Gottesdienstes soll es immer einen freien Teil mit individuellen Ideen geben. Angesichts des Nahost-Konflikts haben Bani Assadi und Boeckler einen muslimisch-jüdischen Gebetstext geschrieben. Ursprünglich sollte es zum Auftakt vor allem um den Klimawandel gehen. „Nach dem 7. Oktober haben wir uns gedacht, dass wir das Thema nicht unerwähnt lassen können. Wir können nicht den Erhalt der Schöpfung und das Thema Klima erwähnen und den Elefanten im Raum nicht benennen. Das ist ein sehr komplexes und emotionales Thema, gerade für Juden und Muslime“, so Annette Boeckler. Mit Nasrin Bani Assadi sprach sie das Gebet auf Deutsch, erst die eine, dann die andere und zum Schluss Schulter an Schulter gemeinsam. Dann verließen sie still den Saal.