Memelweg in Tannenbusch Nachbar belastet festgenommenen Salafisten

BONN · Knapp zwei Wochen sind seit den spektakulären Sprengungen von zwei brisanten Funden aus der Wohnung des festgenommenen Salafisten Marc-René G. am Memelweg in Tannenbusch vergangen, und immer noch gibt es viele offene Fragen.

Im Zentrum steht nicht nur der Vorwurf, dass es bei der Wohnungsdurchsuchung von Marc-René G. wie den anschließenden Sprengungen verdächtiger Chemikalien zu Pannen gekommen sein soll. Marc-René G. soll gemeinsam mit drei anderen Tatverdächtigen ein Attentat auf den Vorsitzenden der Partei ProNRW, Markus Beisicht, vorbereitet haben.

Nun geht es um eine mögliche Verbindung der Festgenommenen zu dem versuchten Anschlag auf den Bonner Hauptbahnhof im Dezember 2012. Offiziell gibt es keine neuen Entwicklungen, inoffiziell schon: In Sicherheitskreisen in Berlin hieß es gestern, Ermittler verfolgten bereits seit Wochen eine Spur, wonach zwischen beiden Fällen ein Zusammenhang bestehen könnte.

Allerdings sei der Verdacht "nicht ganz neu", der Zusammenhang werde inzwischen "sehr zurückhaltend" gesehen. Indiz für eine Verbindung seien Aussagen eines Rentners, der in der Nachbarschaft des festgenommenen Bonner Konvertiten Marc-René G. wohne.

Dieser Nachbar habe im Gespräch mit Ermittlern zu Protokoll gegeben, er habe kurz zuvor solch eine blaue Sporttasche entsorgt, wie sie am Tag des fehlgeschlagenen Bombenanschlags am Hauptbahnhof benutzt worden war. Allerdings sei bislang nicht zweifelsfrei ermittelt, ob die blaue Tasche auch jene blaue Sporttasche des Rentners sei.

Möglich wäre es - Marc-René G. könnte sie aus dem Müll geholt haben. Dem Vernehmen nach hat der Rentner aber widersprüchliche Aussagen gemacht. Einmal habe er gesagt, er habe die blaue Tasche mit intakten Griffen entsorgt. In einer anderen Aussage habe er erklärt, einen Griff der Tasche zerschnitten zu haben. Laut Ermittlern sind seine Aussagen "mit Vorsicht" zu sehen.

Unterdessen geht die Suche nach dem hellhäutigen Mann weiter, der am Tag des versuchten Anschlags mit einer blauen Tasche von der Kamera eines Schnellrestaurants im Hauptbahnhof aufgenommen wurde. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um die Tasche handelt, in der später der Sprengstoff gefunden wurde.

[kein Linktext vorhanden]Der Mann "könnte" laut Sicherheitskreisen einer der vier zuletzt festgenommenen Salafisten sein. Dies schlussfolgern die Ermittler bislang unter anderem aus einem Vergleich der tatsächlichen Körpergröße der Verdächtigen mit jener des Mannes aus dem Video. Nach dem dunkelhäutigen Mann, nach dem ebenfalls gefahndet wurde, werde inzwischen nicht mehr gesucht, er stehe auch nicht mehr in Verdacht. Eventuell käme er nun als Zeuge infrage.

Doch wie sieht es mit den Entwicklungen in Tannenbusch aus? Hier soll es einige Ermittlungspannen gegeben haben. Direkt nach der Festnahme des 24-jährigen Koray D., der in der Wohnung von Marc-René G. am Memelweg dingfest gemacht wurde, sollen die Beamten in der Wohnung zwar eine Pistole der Marke Ceska und 616 Gramm sprengfähiges Ammoniumnitrat sichergestellt haben.

Dabei sollen sie nach GA-Informationen aber den Kühlschrank außen vor gelassen haben. Nach einem Tipp G.s in der Haft an eine Sozialarbeiterin, die G.s Frau vor dem gefährlichen Inhalt des Kühlschranks warnen sollte, rückte die Polizei 48 Stunden nach der ersten Durchsuchung erneut mit einem Großaufgebot am Memelweg an.

Sie wurden fündig, Experten des LKA sprengten die Chemikalien - wie die vorherige auch - in einer Grünanlage. Dabei soll es die nächste Panne gegeben haben. Der Vorwurf: Die Ermittler hätten keine Proben der gefundenen Chemikalien für eine spätere Bestimmung sichergestellt. Die Generalbundesanwaltschaft, die gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt Herrin des Verfahrens ist, hielt sich auch gestern mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen bedeckt.

Auskunftsfreudiger zeigte sich die Essener Polizei. Sprecher Lars Lindemann bestätigte: "Hier hat es einen Tipp aus der JVA gegeben." Näheres wollte er aber nicht dazu sagen. Dass der zweiten Durchsuchung eine Ermittlungspanne vorausgegangen sei, wolle er so nicht stehen lassen: "Das war nicht die einzige Wohnung der vier Festgenommenen, die wir ein zweites Mal durchsucht haben."

Das sei zum Beispiel auch bei einer Wohnung in Essen der Fall gewesen. "Mehrfache Wohnungsdurchsuchungen sind nichts Ungewöhnliches. Wir haben Tatorte, da sind wir wochenlang." Allerdings sei man nur in der Tannenbuscher Wohnung fündig geworden. Auch bei der Sprengung sei alles richtig gelaufen. Man habe vor und nach der Explosion Bodenproben von der Stelle entnommen, an der gesprengt worden war.

Das soll nun eine Bestimmung des Stoffes im Nachhinein ermöglichen. Eine Probe aus den Gefäßen zu entnehmen, in denen die Substanzen gefunden worden sind, erschien den LKA-Leuten laut Lindemann zu gefährlich. Zwei Sprengungen an Ort und Stelle seien nötig gewesen, "weil zwei unterschiedliche Gefäße mit verdächtigen Substanzen gefunden worden sind". Welche das genau seien, wisse er nicht. Zuständig für die Auswertung sei jetzt ebenfalls die Bundesanwaltschaft.

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