Vorwürfe gegen Hübner und Zwiebler Nervenkrieg in Saal 0.15

Für alle Beteiligten gestaltet sich der Prozess gegen die städtischen Angeklagten Arno Hübner und Eva-Maria Zwiebler zur Nervenprobe. Es geht im zweiten Strafprozess in Sachen World Conference Center Bonn (WCCB) um Betrug und Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu.

Der vierte Verhandlungstag endet mit einem Eklat und wird vorzeitig abgebrochen. Wobei der Begriff "Verhandlungstag" falsche Vorstellungen suggeriert: Zwiebler ist aus gesundheitlichen Gründen nur drei Stunden verhandlungsfähig. Deshalb versuchen die drei Richter, die medizinisch erlaubte Zeitspanne effektiv zu nutzen. Sie hatten Zeugen geladen, zum Beispiel zuletzt Martin Krämer (62), den ehemaligen Leiter des Liegenschaftsamtes der Stadt.

Jens Rausch, Vorsitzender Richter der 7. Kammer am Landgericht Bonn, erläutert, wie er sich die Etappen der Zeugenbefragung vorstellt, und vielleicht erreiche man ja später "eine Phase, wo es ums Eingemachte geht". Krämer soll berichten, wie es in der WCCB-Urphase war.

Der Stadtrat habe damals, so Krämer, entschieden: "Das darf die Stadt nichts kosten." Er sei vom damaligen Verwaltungskoordinator Guido Kahlen gefragt worden, ob er das WCCB-Projekt leiten wolle. Er habe geantwortet: "Das kann nicht nebenbei gestemmt werden; diese Person muss von allem freigestellt werden." Danach sei er "in Ruhe gelassen worden", was die Projektleitung betreffe.

Es vergehen rund 49 Minuten, in denen Krämer das EU-Vergaberecht erläutert und auch, warum die Stadt noch kein Leistungsverzeichnis in der Investoren-Ausschreibung platziert habe: "Man wollte auch die Kreativität der Bewerber nutzen. Der Markt ist schlauer als ein Amt."

Hübner, als Stadtdirektor einst Krämers Vorgesetzter, fixiert diesen blickweise, manchmal meldet er sich zu Wort. Zwiebler hält ununterbrochen die Hände vors Gesicht. Dazwischen ein Taschentuch. Sie ist angespannt. Eines Tages habe es geheißen, Hübner sei der Projektleiter. Krämer erklärt noch einmal: "Ich habe das mit der Projektleitung für mich so entschieden und kann nicht für Hübner und Zwiebler sprechen, die hatten ja ihre ureigenen Aufgabenfelder."

Krämer sagt: "Bei solchen Großprojekten nimmt die Komplexität von Tag zu Tag zu." Richter Rausch fragt: "Wie war die Rollenverteilung in der Projektgruppe?" Krämer: "Hübner Leitung und Zwiebler", er zögert kurz, schaut zu Zwiebler, als wollte er sich schon vorab für das nächste Wort entschuldigen: "Verteilfunktion."

Sein Blick sagt: Aber so war es doch, und auch: Mehr hätte sie doch auch gar nicht leisten können. Zwiebler schluchzt. Ihr Verteidiger Hanno Marquardt, der Tage zuvor Zwiebler eine "Botin" nannte, beantragt, die Verhandlung abzubrechen. Richter Rausch sagt, man ziehe jetzt die Mittagspause vor und treffe sich in einer Stunde wieder. Ob man dann bis zum "Eingemachten" vordringt?

Nach einer Stunde: Saal 0.15 ist noch nicht freigegeben. Ein Arzt, zufällig wegen eines anderen prozessbedingten medizinischen Bedarfs im Gericht, ist jetzt bei Zwiebler. Als der Mediziner den Saal verlässt, darf die Öffentlichkeit - Bürger, von Dritten gesendete Beobachter, Journalisten - wieder eintreten.

Rausch berichtet, dass der anwesende Sachverständige mit der Angeklagten ein Gespräch geführt habe. "Anschließend hat der Sachverständige mitgeteilt, dass die Angeklagte Zwiebler" durch den Kontakt mit dem Zeugen "einen akuten affektiven Ausnahmezustand erlitten habe. Der Arzt empfehle deswegen, die Vernehmung des Zeugen am heutigen Tage nicht fortzusetzen, um diese Belastung so nicht weiterzuführen." Der Sachverständige halte "es im Übrigen für vertretbar, die Hauptverhandlung mit Förmlichkeiten fortzusetzen".

Der Zeuge Krämer verlässt den Saal. Richter Rausch gibt bekannt, dass die Kammer Marquardts am dritten Verhandlungstag gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen "Aktenunvollständigkeit" ablehnt. Er verliest die Begründung des Beschlusses. Nach einigen Sätzen unterbricht ihn Marquardt und bezichtigt Rausch der "Unmenschlichkeit"; er komme seiner Fürsorgepflicht für die Angeklagte nicht nach.

Es wird bekannt, dass Zwiebler eine höhere Dosis einer stark beruhigenden Arznei erhalten hat. "Das beeinträchtige die Auffassungsgabe", sagt Marquardt, das habe der Sachverständige doch erklärt. Rausch entgegnet, er bewege sich auf der von dem Sachverständigen angeratenen Intensitätsebene. Pensionär Hübner starrt indes auf die Tischplatte vor ihm.

Marquardt will eine erneute Unterbrechung, um zu prüfen, ob er einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter stellen muss. Der ordnet an, die Verlesung des Beschlusses fortzusetzen und erst dann zu unterbrechen. Marquardt verlangt, dass die Kammer darüber entscheidet und nicht der Vorsitzende.

Dazu gehören auch die Schöffen. Die Kammer berät sich. Dann bestätigt sie den Beschluss. Marquardt hält eine Gegenerklärung: "Es gibt keinen sachlichen Grund, das Papier weiter zu verlesen" - angesichts der gegenwärtigen Verfassung seiner Mandantin. Der Arzt habe "Förmlichkeit" gesagt, das sei aber nun eine "Beweisaufnahme". Im Verlauf dieses Scharmützels muss "die Öffentlichkeit" Saal 0.15 verlassen und darf Minuten später wieder eintreten.

Richter Rausch sagt: "Wir sehen, dass es Frau Zwiebler schlecht geht." Außerdem spricht er von einer "zugespitzten Situation". Es fällt der Begriff "verfahrenstechnische Verwerfung". Rausch entscheidet, dass die Verhandlung, ohne dass sie die Netto-Verhandlungszeit von drei Stunden erreicht hat, abgebrochen wird - "insbesondere im Hinblick darauf", dass ein Gespräch zwischen Marquardt und Zwiebler "in einer dafür geeigneten Atmosphäre stattfinden kann".

Die Hauptverhandlung wird am 14. April fortgesetzt. Welcher Zeuge wird dann geladen? Wieder Krämer? Oder werden Urkunden verlesen? Wie wird die psychisch angeschlagene Angeklagte reagieren, wenn die Verhandlung zum Kerngeschehen vordringt? Vor dem Saal spekulieren Beobachter über die Prozesstaktik von Verteidiger Marquardt. Will er den Prozess für seine Mandantin beenden, indem er die völlige Verhandlungsunfähigkeit Zwieblers anstrebt? Diese müsste ein vom Gericht bestimmter medizinischer Gutachter testieren.

Die Vorwürfe gegen Hübner und Zwiebler

Die Staatsanwaltschaft wirft Arno Hübner und Eva Maria Zwiebler Betrug im besonders schweren Fall vor. Es geht um den Zuschuss des Landes für das WCCB von 35,79 Millionen Euro. Den Zuwendungsbescheid soll Hübner in Abstimmung mit Zwiebler bei der Bezirksregierung beantragt haben, obwohl beide laut Anklage wussten, dass die Gesamtfinanzierung des WCCB nungesichert war.

Hübner wird zudem Untreue im besonders schweren Fall zur Last gelegt. Zwiebler soll dazu Beihilfe geleistet haben. Dabei geht es um die bürgschaftsähnliche Nebenabrede der Stadt Bonn zum 74,3 Millionen Euro-WCCB-Kredit (ab 2009 104,3 Millionen), die erst in der Betriebsphase gelten sollte. Diese wurde laut Anklage am Stadtrat vorbei so abgeändert, dass sie bereits für die Bauphase galt.

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