Neues Museum für Bonn Stadt plant Forum für Exilkultur im Windeckbunker

Bonn · Der Windeckbunker in der Innenstadt soll aus seinem Dornröschenschlaf erwachen. Die Stadt will dort mit vielen engagierten Beteiligten ein Forum für Exilkultur einrichten.

 Aussichtspunkt auf dem Dach des Windeckbunkers: Dort lassen sich die Himmelsrichtungen mit Uhrzeiten anpeilen. Das wurde im Zweiten Weltkrieg genutzt, um angreifende Flugzeuge zu orten.

Aussichtspunkt auf dem Dach des Windeckbunkers: Dort lassen sich die Himmelsrichtungen mit Uhrzeiten anpeilen. Das wurde im Zweiten Weltkrieg genutzt, um angreifende Flugzeuge zu orten.

Foto: Nicolas Ottersbach

Verkaufen? Nutzung als Wohnraum? Oder sollen darin Bands proben und Partys steigen? Über Jahrzehnte ist in der Stadt immer wieder über die künftige Nutzung des 1941 erbauten Windeckbunkers diskutiert worden. Jetzt zeichnet sich ab, dass er der Kultur ein Zuhause bieten soll. Ein ganz besonderes, mit künstlerisch-gesellschaftlichem Anspruch.

So plant die Stadt im denkmalgeschützten Hochbunker das Forum Exilkultur, das Exilkunst ausstellt und öffentlich zugänglich macht, unterzubringen. Bemerkenswert allein schon deswegen, da man ein Exilmuseum in Deutschland bislang vergeblich sucht. Die Verwaltung stellt das Projekt nun dem Kulturausschuss vor. Mitten in der Innenstadt, an der Budapester Straße, soll so ein Ort für Demokratie – gegen Rassismus und für Humanität – entstehen.

Umgestaltung des Umfelds zum Pocket Park

Nicht nur dieses Forum wird den Bunker aus seiner Schmuddelecke herausholen, der bislang als Treffpunkt der Drogen- und Alkoholikerszene galt. Denn jetzt schon wird das Umfeld im Zuge des Masterplanes Innere Stadt 2.0 umgestaltet (der GA berichtete): als urbaner Freiraum für Erholung und ökologische Nachhaltigkeit. Es entsteht ein sogenannter Pocket-Park mit multifunktionaler Nutzung für alle Generationen. Also eine Art Miniatur-Erholungsgebiet.

Stimmt der Stadtrat am Donnerstag, 10. Februar, der Empfehlung der Verwaltung zu, wird bereits im ersten Quartal eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die unter Berücksichtigung denkmalrechtlicher Erfordernisse die Bauarbeiten für das Forum Exilkultur ermittelt und eine erste Kosten- und Zeitprognose erstellt. In dem ehemaligen Luftschutzbunker sollen unter anderem Ausschnitte der Sammlung „Memoria“ des Kölners Thomas B. Schumann gezeigt werden. Sie umfasst mehr als 50.000 Bücher von Exilautoren und rund 1000 Bildwerke von exilierten Künstlern, die in der Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1945 Deutschland verlassen mussten.

Die angestrebte Nutzung des Windeckbunkers wäre „eine enorme Bereicherung und ein ganz besonderer Ort für Erinnerungskultur in Bonn. Dort kann die wichtige Auseinandersetzung mit Emigration und Exil in unserer Gegenwart vorangetrieben und bewusst gegenübergestellt werden“, sagt Oberbürgermeisterin Katja Dörner.

Wechselnde Ausstellungen von Künstlern, die heute in Deutschland im Exil leben, schaffen einen Perspektivenwechsel, „mit dem die Relevanz der Vergangenheit für die Gegenwart sichtbar wird“, so die Stadt. Menschen mit ausländischen Wurzeln und auch Flüchtlinge sollen aktiv in die Arbeit des Hauses eingebunden werden und die Möglichkeit bekommen, sich künstlerisch und kreativ zu entfalten und zu präsentieren.

„Mit dem Forum Exilkultur Bonn würde die Stadt als Geburtsort des Grundgesetzes und Sitz der Uno-Flüchtlingshilfe ein starkes Zeichen für Demokratie und Menschenrechte setzen sowie eine bundesweit einmalige Form des Erinnerns schaffen, die auch stark in die Zukunft wirkt“, sagt Sport- und Kulturdezernentin Birgit Schneider-Bönninger.

Initiative Exilkultur will Betrieb des Forums übernehmen

Vor fünf Jahren hat sich in Bonn die Initiative Exilkultur gegründet, die bereits Projekte und Ausstellungen auf die Beine gestellt hat. Auch andere haben sich bereits dem Thema angenommen. „Das ist eine sehr positive Entwicklung“, sagt Jürgen Repschläger, Sprecher der Initiative Exilkultur Bonn. „Wir werden im Frühjahr 2022 einen Verein gründen, der sich maßgeblich in den Betrieb des Forums einbringen möchte, indem wir beispielsweise Teile des Rahmenprogramms konzipieren, organisieren und durchführen. Unsere Initiative steht mit Initiativen in anderen Städten im Dialog – und wir freuen uns, das Projekt im Windeckbunker zu unterstützen.“ Gemeint sind etwa das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen und die Stiftung Exilmuseum Berlin, das in der Hauptstadt nun das erste deutsche Exilmuseum plant.

Die Uno-Flüchtlingshilfe will im Forum Exilkultur auf die aktuelle Situation von weltweit über 84 Millionen Menschen auf der Flucht aufmerksam machen. Peter Ruhenstroth-Bauer, Geschäftsführer der Uno-Flüchtlingshilfe: „Wir stehen in der Pflicht, Europa an seine eigene Fluchtgeschichte zu erinnern. Das Forum hat die Chance, eine Brücke zu schlagen, von der Zeit des Nationalsozialismus bis heute.“

Auch die Stiftung Cosman Keller Musik & Art Trust wird sich an dem Projekt beteiligen. Sie verwaltet den Nachlass der Künstlerin Milein Cosman und des Musikers Hans Keller. Milein Cosman, die 1939 nach England ins Exil ging, war eine der führenden Porträtistinnen Englands. 1949 zeichnete sie im Auftrag des Magazins „Heute“ das erste Kabinett von Adenauer in Bonn. Ihr ist ein eigener Gedenkraum zugedacht.

Kooperation bis ins Ausland geplant

Das Forum Exilkultur Bonn versteht sich laut Verwaltung als Ort der Geschichte, Gegenwart und Zukunft, „der den Diskurs anregt und sich aktiv mit dem Thema Menschenrechte und Menschenrechtsbildung auseinandersetzt“. Geplant sind Kooperationen mit den städtischen Kulturinstituten, Akteuren aus der Freien Szene, aber auch zu Partnern außerhalb der Stadt und im Ausland wie der Casa Stefan Zweig in Petrópolis, Brasilien.

Der frühere Luftschutzbunker soll bei allen Veränderungen als Mahnmal der NS-Zeit wahrnehmbar bleiben – durch Beibehaltung der Räume und puristischer Gestaltung der Ausstellungsflächen. Es soll aber alles barrierefrei werden, Toiletten werden eingebaut und die Gebäudetechnik samt Brandschutz auf den neuesten Stand gebracht. Die Verwaltung will prüfen, ob und wie durch geeignete Betriebs- und Finanzierungsmodelle die Belastungen für den städtischen Haushalt möglichst gering gehalten werden können. Es werde nach Förderprogrammen Ausschau gehalten. Die Ergebnisse der Prüfaufträge sollen bis zum Herbst vorliegen und die Grundlage für weitere Beschlüsse schaffen. Der Bunker steht derzeit so gut wie leer, auf einer Etage würden derzeit noch Verwaltungsakten zwischengelagert, so Markus Schmitz vom Presseamt.

Das Projekt scheint gut zum geplanten „Zukunftsort für Demokratie und Künste“ zu passen, den die Montag-Stiftungen im früheren Amerikanischen Club in der HiCoG-Siedlung Plittersdorf einrichten will. Dort verschreibt man sich als inklusives Projekt für alle Altersklassen der Demokratieförderung, – mit der Kunst als zentralem Baustein.

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