Bachelorarbeit über Leihräder An diesen Orten leihen die Bonner gerne Fahrräder aus

Bonn · Am Hofgarten, in der Rheinaue oder an der Kennedybrücke: Leihräder gehören in Bonn mittlerweile zum Stadtbild. Wo die meisten Räder des Anbieters „Nextbike“ gemietet werden, hat Moritz Kistenfeger aus Bonn nun wissenschaftlich untersucht.

Moritz Kistenfeger hat seine Bachelorarbeit über das Angebot und die Nachfrage des Fahrradverleihers „Nextbike“ in Bonn geschrieben.

Moritz Kistenfeger hat seine Bachelorarbeit über das Angebot und die Nachfrage des Fahrradverleihers „Nextbike“ in Bonn geschrieben.

Foto: Benjamin Westhoff

Die grauen Fahrräder mit dem blau-weißen Schutzmantel und dem QR-Code zum Scannen stehen seit nun knapp zwei Jahren kreuz und quer verteilt in der Stadt herum: Viele Bonner nutzen das Angebot des Leipziger Fahrradverleihers „Nextbike“, wenn sie für eine Strecke in die Pedale treten wollen. Doch an welchen Orten steigen die Bonner am liebsten auf den Sattel? Und woran genau liegt das?

Diesen Fragen hat sich Moritz Kistenfeger in seiner Bachelorarbeit im Studiengang Geographie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gewidmet. „Analysing bike sharing demand using GIS: The example of Bonn, Germany“, heißt das rund 40 Seiten lange Abschlusswerk des gebürtigen Müncheners. „Es ging darum, welche lokalen Eigenschaften Einfluss auf die Nachfrage von Nextbike haben“, erklärt der Absolvent im Rückblick. Die Ergebnisse seiner Studie seien zudem für künftige Projekte spannend, wenn Radverleiher etwa in neuen Gebieten ihr Angebot etablieren wollen. Bisher ist Nextbike, das in Bonn mit den Stadtwerken zusammenarbeitet, der einzige Anbieter in der Stadt.

Nextbike in Bonn: Free-floating-System ist ausgeprägt

In Bonn sei das sogenannte „free-floating“-System sehr ausgeprägt, also Ausleihen ohne feste Haltestelle. Bonner können auf diese Weise das geliehene Fahrrad an öffentlich erreichbaren Flächen wieder abstellen. „Jeder Quadratmeter ist ja hier eigentlich eine Station“, stellt der Student fest.

Eine weitere Beobachtung: Faktoren wie Einwohnerdichte, Einzelhandel oder Anbindung an den Nahverkehr wirken sich alle auf die Auswahl von Leihrädern aus. Besonders interessant für den Studenten ist der Zusammenhang von Nahverkehr und Ausleihe: Je weniger Busse und Bahnen fahren, desto häufiger steigen die Bonner auf die Alternative auf zwei Rädern um.

Deutlich sei das am Rheinufer zu sehen. „Da haben wir hohe Ausleihzahlen. Gerade am Rhein am Wochenende“, bilanziert Kistenfeger. Die Rad-Zählstelle in der Nähe des Bundesrechnungshofs erfasste zwischen Juni und August 2019 rund 389.000 Fahrräder am Wilhelm-Spiritus-Ufer. Zum Vergleich: Seit Anfang 2020 wurden dort bislang um die 559.000 Räder gezählt, was Interessierte auf der Internetseite eco-public.com tagesaktuell einsehen können.

Auch im Regierungsviertel zeige sich ein spannendes Ergebnis: Während der Woche steigen dort viele Menschen auf den Sattel, am Wochenende eher weniger. Allerdings bildeten sich dann neue „Ausleihen-Hotspots“ - zum Beispiel an den Museen oder am Eingang zur Rheinaue. Auch an typischen Studenten-Ecken wie etwa der Campus in der Innenstadt seien die Nextbikes sehr gefragt.

Ausgewertet hat Kistenfeger einen Datensatz von etwa 300.000 Ausleihen, die zwischen Juni und August im vergangenen Jahr im Stadtgebiet gemacht worden sind. In diesem Zeitraum seien besonders viele Menschen auf je eins der mittlerweile rund 900 Nextbike-Räder gestiegen. „Bonn ist ein sauberes Beispiel für bike sharing und als Größe angenehm zu analysieren“, begründet der 25-Jährige die Stadtwahl für seine Studie. Zudem sei ihm Bonn als Studienort vertraut. Hier haben sich bislang 63.089 Nutzer bei Nextbike registriert.

Nextbike in Bonn: Bonner schreibt Bachelorarbeit über Leih-Fahrräder
Foto: Moritz Kistenfeger

Anbindung an den Nahverkehr spielt eine große Rolle

Mithilfe einer Regressionsanalyse - eine statistische Methode - teilte Kistenfeger die Gebiete der „Service Area“ von Nextbike in 100 mal 100 Meter große Zellen auf, um so die Nachfrage räumlich zu berechnen. Innerhalb der fast 10.000 Zellen verglich er dann die Zahl der Ausleihen mit Faktoren wie Einwohnerdichte, Einzelhandel, Büroflächen, Anbindung an den Nahverkehr, Uni und verschiedenen Freizeitangeboten. Daneben schaute er, an welchen Wochentagen die Räder wie benutzt werden.

Generell zeigt die Analyse der verschiedenen Wochentage laut Kistenfeger: „Man sieht sehr schön, dass die Leute am Wochenende später aufstehen.“ Dann steigt die Ausleih-Kurve zwischen sieben und zwölf Uhr an, während sie unter der Woche ihren Höhepunkt schon um acht Uhr morgens erreicht: die typische Zeit für Pendler, die sich auf den Weg zur Arbeit oder zur Uni machen. Besonders oft treten die Bonner übrigens am Wochenende noch einmal gegen Mitternacht in die Pedale.

Mehr Abstellplätze für Leihräder in der Stadt

Eine endgültige Note für seine im Juni fertiggestellte Arbeit hat Kistenfeger bisher zwar noch nicht bekommen, bestanden hat er aber schon. Im September möchte er nun mit seinem Masterstudium der Stadtplanung in Amsterdam beginnen. „Ich habe mich schon immer für Verkehrspolitik interessiert“, sagt er.

Und was er noch aus seiner Bachelorarbeit mitnimmt? „Es ist total wichtig, dass man bis zur Haustür fahren kann.“ Deshalb sei das free-floating-System auch so bedeutsam. Gleichzeitig verstehe er die Kritik, dass die Räder nicht einfach mitten auf dem Bürgersteig in Wohngebieten herumstehen sollen.

Seiner Meinung nach muss es daher mehr Abstellplätze geben. Beschwerden über „ungünstig abgestellte Leihfahrräder“ bekomme der städtische Ordnungsdienst allerdings nur vereinzelt, wie eine Sprecherin der Stadt Bonn mitteilte. In solchen Fällen werde der Anbieter kontaktiert, der die entsprechenden Räder entfernt. „Es gibt Bestrebungen, unter anderem durch eine bessere Kennzeichnung der Stationen, die Nutzer stärker zum Abstellen der Fahrräder an diesen Standorten zu bewegen“, so die Stadt. Das Mietsystem werde ständig evaluiert.

Über 1,8 Millionen zurückgelegte Kilometer

Seit dem Start von Nextbike in Bonn im Oktober 2018 hat sich das Angebot „mit erstaunlicher Geschwindigkeit zu einem Erfolgsfaktor entwickelt“, wie ein Sprecher der Stadtwerke auf GA-Anfrage mitteilte. „Bereits im ersten Betriebsmonat gab es 12.000 Ausleihen. Seitdem stiegen die Zahlen stetig an“, erklärte er. Über 1,8 Millionen Kilometer wurden bisher mit den Mieträdern zurückgelegt, die Nutzer bisher rund 1,3 Millionen Mal ausgeliehen haben. Den Anfang machten demnach zunächst 200 Fahrräder und 20 Stationen. Mittlerweile sei die Flotte auf etwa 900 aufgestockt worden. Und aus den bislang 70 Stationen sollen nach und nach 100 werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort