„Nichts, was uns passiert“ #MeToo-Drama wurde in Bonn gedreht

Bonn · Es beginnt als Sommerflirt und endet mit Vergewaltigungsvorwürfen: Mit einer Literaturverfilmung wagt sich der WDR an ein schwieriges Thema. Gedreht wurde der Film „Nichts, was uns passiert“ in Bonn und ist am Mittwoch im Ersten zu sehen.

 Anna (Emma Drogunova) versucht, sich einen Anwalt zu organisieren in einer Szene aus «Nichts, was uns passiert» (undatiert). Das Drama wird am 01.03.2023 im Ersten ausgestrahlt.

Anna (Emma Drogunova) versucht, sich einen Anwalt zu organisieren in einer Szene aus «Nichts, was uns passiert» (undatiert). Das Drama wird am 01.03.2023 im Ersten ausgestrahlt.

Foto: dpa/Thomas Kost

Es war das Buch zur #MeToo-Bewegung: Bettina Wilperts Debütroman „Nichts, was uns passiert“ erschien 2018 zum perfekten Zeitpunkt und war ein Liebling der Feuilletons. Es ist die Geschichte einer Vergewaltigung im Uni-Milieu: Studentin Anna fühlt sich im Alkoholrausch nach einer Party von ihrem Kommilitonen Jonas sexuell missbraucht. Jonas leugnet das - der Sex sei einvernehmlich gewesen. Dass die Beteiligten vor dem Vorfall einen One-Night-Stand gehabt hatten, macht die Aufklärung nicht gerade übersichtlicher.

Die beiden bewegen sich im selben linken, politisch überkorrekten Umfeld. Sie werden nunmehr auf verschiedene Weise von diesem Umfeld ausgegrenzt, beide Leben werden beschädigt. Regisseurin Julia C. Kaiser hat den Roman fürs Fernsehen verfilmt und die Handlung von Leipzig nach Bonn verlegt. Bonner werden im Film in zahlreichen Außenaufnahmen ihre Stadt wiedererkennen. An diesem Mittwoch um 20.15 Uhr strahlt das Erste das WDR-Drama aus, das von seinen beiden starken Hauptdarstellern Emma Drogunova als Anna und Gustav Schmidt als Jonas getragen wird. In der Mediathek ist der Film bereits verfügbar.

Der Übergriff verfolgt die einst so unbeschwerte Anna, sie will kein Opfer sein. Die Einzige, der sie sich anfangs anvertrauen kann, ist ihre Schwester Daria (Katja Hutko). Daria rät ihr zur Anzeige. Doch Annas Erfahrungen mit der Kripo gestalten sich ernüchternd, sie setzt ihre Hoffnungen schließlich auf eine Anwältin für Sexualstrafrecht.

Als das Geschehen in der Gerüchteküche Kreise zieht, sehen sich Anna und Jonas gezwungen, Stellung zu beziehen: Podcasterin Kelly (Shari Asha Crosson) versucht, die Wahrheit herauszufinden. Keine leichte Aufgabe. Wilpert hatte bewusst eine weiße Seite inmitten ihres Buches gesetzt, statt die Szene zu schildern. Auch der Film blendet die entscheidenden Minuten aus. Doch was er in kleinen Details zum Selbstbild von Jonas preisgibt, legt etwas nahe: „Jonas befindet sich permanent im Verteidigungsfall, denn er muss dieses Selbstbild von sich verteidigen. Deshalb kann er nicht einsehen, dass er vergewaltigt hat“, beschreibt Regisseurin Kaiser.

Hauptdarstellerin Emma Drogunova findet es „absurd“, dass wohl fast jede und jeder mindestens einen Menschen im Freundes- und Bekanntenkreis habe, der von sexueller Gewalt betroffen sei, aber „komischerweise“ niemanden, der diese Gewalt an jemandem ausgeübt habe. „Unsere Gesellschaft bietet mir noch zu wenig Möglichkeiten, offen über Konsens zu reden. Damit beginnt Prävention nämlich.“

„Nichts, was uns passiert“ zählt zu den neuen Stoffen, die die ARD für eine junge Zielgruppe in der Mediathek drehen lässt, aber zugleich prominent im klassischen Fernsehen mit eher älterem Publikum ausstrahlt. Damit sich keiner ausgeschlossen fühlt, hier ein paar Vokabeln zum Verständnis für Zuschauer über 50: Das Wort „Kartoffel“ ist ein mehr oder weniger netter Spottname für einen Deutschen mit einheimischen Wurzeln; ein „Alman“ ist ein Spießer mit typisch deutschen Sitten; „Victim Blaming“ nennt man es, wenn ein Opfer zum Täter gemacht wird.

Apropos Sprache - Jonas-Darsteller Gustav Schmidt warnt in diesem Zusammenhang vor Verharmlosung: „Einem Täter passiert eine Vergewaltigung nicht, es ist eine aktive Tat. Es hätte durch eigenes Agieren verhindert werden können. Als Betroffene oder Betroffener ist der Person etwas Fürchterliches unverschuldet zugestoßen. Für mich klingt „passiert“ dafür einfach viel zu harmlos.“

(dpa)
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