Koalitionsverhandlungen im Bonner Stadtrat Noch keine Mehrheit für Jamaika

BONN · Schock und Ratlosigkeit bei den Koalitionspartnern CDU, FDP und Grünen: Nach drei Stunden intensiver Debatte gab es am Montagabend innerhalb der Grünen- Ratsfraktion keine Mehrheit für den ausgehandelten Koalitionsvertrag.

Zwölf Mitglieder der erweiterten Fraktion, zu der neben den Rats- und Bezirksverordneten auch die sachkundigen Bürger gehören, stimmten für ein positives Votum, zwölf dagegen, drei enthielten sich. "Man kann aber nicht von Ablehnung sprechen", sagte Fraktionssprecherin Brigitta Poppe. Die Fraktion werde lediglich der Mitgliederversammlung, die am Samstag, 8. November, endgültig über die Koalitionsaussage abstimmen wird, "keine Empfehlung aussprechen".

Die Sprecherin des Kreisverbandes, Julia Mayer, sieht es anders: "Es ist schon ein durchaus interessantes Ergebnis, wenn die Akteure, die das Koalitionspapier ausgehandelt haben und die konkrete Arbeit im Rat machen werden, das Ergebnis selbst kritisch sehen." Mehr ins Detail wollte sie aus Rücksicht auf die Debatte mit der grünen Basis nicht gehen. Nur soviel wollte sie zum 53-seitigen Koalitionsvertrag und der fünfseitigen Sparliste sagen: "Da sind viele offene Formulierungen."

Einstimmig stellten sich dagegen sowohl die FDP- als auch die CDU-Fraktion hinter das gemeinsame Papier. Dass die Grünen-Ratsfraktion sich nicht zu einem Votum hat durchringen können, bedauert CDU-Fraktionschef Klaus-Peter Gilles zwar, hält es indes für "undramatisch". Er geht davon aus, "dass die verbleibende Zeit von den Grünen für den offenbar noch vorhanden Diskussionsbedarf genutzt wird und am 8. November eine Zustimmung erfolgt".

"Alle finden sich in dem Papier wieder. Natürlich ist es, wie in jeder Koalition, ein Geben und Nehmen", so FDP-Chef Werner Hümmrich. Dass viele Punkte eher unkonkret formuliert sind, wie auch Poppe zugibt, begründet er mit "vielen Unsicherheiten". Auch CDU-Fraktionsgeschäftsführer Georg Fenninger tritt bei der Euphorie auf die Bremse: "Wir haben den Haushalt ja noch nicht vorliegen. Deswegen können bestimmte Dinge erst später entschieden werden." Aber die "Marschrichtung" sei zumindest klar. Und die sieht so aus:

  • Steuern: Abgelehnt wird die von Nimptsch und Sander empfohlene Anhebung der Grundsteuer ab 2015 von 530 auf 830 Hebesatzpunkten, die eine Mehreinnahme von 38 Millionen Euro bringen sollte. Auch die Gewerbesteuern sollen nicht erhöht werden. Aber: Beide Steuern könnten steigen, "wenn sich die Ertragsseite drastisch verschlechtert".
  • Personal: Ein Abbau des städtischen Personals soll den Etat mit 8,5 Millionen Euro entlasten. Darüber hinaus halten die Koalitionäre die Einsparung eines Dezernenten für verkraftbar: Damit würde die Stadt 277.000 Euro pro Jahr sparen.
  • Sport und Bäder: Eine Sportstättennutzungsgebühr soll es zwar nicht geben, allerdings sollen die Sportvereine "mehr Eigenverantwortung für ihre Sportstätten übernehmen", heißt es. So könnten die Vereine etwa die Pflege der Plätze übernehmen, erläuterte Fenninger. Der jährliche Zuschuss an den Stadtsportbund wird, wie vom Rat beschlossen, von einer auf 1,3 Millionen Euro erhöht. Indes solle er 375.000 Euro für die Unterhaltung von Sportstätten aufbringen. Auch der SSF soll für "Einnahmeverbesserungen" in Höhe von jährlich 250.000 Euro sorgen. Immerhin investiere die Stadt ja in den Sportpark Nord einen Millionenbetrag. Die Beckensanierung lässt sich die Stadt rund 2,8 Millionen Euro kosten. Beschlossene Sache ist auch das finanzielle Ende des Bad Godesberger Kurfürstenbads ab 2016. Sollte sich kein Investor für den Weiterbetrieb finden, wird es geschlossen. Auch das Ennertbad in Beuel soll dicht gemacht werden - wenn es zum Bau eines Kombibads in Beuel kommt. Zur Disposition steht auch das Frankenbad.
  • Offene Ganztagsschule: Einsparungen bei den OGS-Zuschüssen von derzeit 460 auf 350 Euro pro Platz und Jahr, wie zuletzt von der Verwaltung vorgeschlagen, soll es nicht geben.

Als eine "Koalition der Verantwortungslosen" bezeichnet Felix Kopinski (Piraten) das Bündnis - vor allem, weil die Koalition tiefe Einschnitte bei Theater/Oper ablehne und Schwarz-Gelb sich für den Bau des Festspielhauses ausspreche. Für SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dieter Schaper kommt das uneindeutige Abstimmungsverhältnis bei den Grünen nicht überraschend. Angesichts der "anstehenden enormen Probleme der Stadt" plädiert Schaper für eine "Koalition der Vernunft", einen Zusammenschluss "aller vernünftigen politischen Kräfte im Rat, um die finanziellen Weichen für Bonn zu stellen. Denn wir werden an alles rangehen müssen."

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