Erste Hilfe für die Seele Notfallseelsorge in Bonn fordert mehr Opferschutz

Bonn/Region · Wenn jemand ganz plötzlich verstirbt, sind sie als Erste für die Angehörigen da. Die Organisatoren der Notfallseelsorge fordern aber mehr Opferschutz und finanzielle Unterstützung.

 Ziehen Bilanz für die Notfallseelsorge: Albrecht Roebke (von rechts), Uwe Rieske und Jürgen Langer.

Ziehen Bilanz für die Notfallseelsorge: Albrecht Roebke (von rechts), Uwe Rieske und Jürgen Langer.

Foto: Benjamin Westhoff

Mit dem Tod werden sie fast täglich konfrontiert. Zu 314 plötzlichen Todesfällen wurden die Mitarbeiter der Notfallseelsorge Bonn/Rhein-Sieg im Jahr 2017 gerufen. Es ist damit das Team mit den meisten Einsätzen im Rheinland, berichtete Uwe Rieske am Donnerstagmittag beim Jahrespressegespräch in Bonn.

Der evangelische Landespfarrer leitet die Notfallseelsorge im Rheinland mit insgesamt 51 Teams. Einige davon agieren auch in Rheinland-Pfalz und Hessen. In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit 57 Teams mit rund 1700 Mitarbeitern, etwa zur Hälfte Haupt- und Ehrenamtliche, einige Landkreise in Westfalen fallen nicht in Rieskes Zuständigkeit.

Notfallseelsorger werden hinzugerufen, wenn bei Todesfällen Angehörige betreut werden müssen. Dabei gehe es in der Regel um unerwartete Situationen: Am häufigsten seien das laut Langer häusliche Todesfälle, etwa durch Herzinfarkt oder Unfälle. Dahinter folgen in der Statistik Angehörigenbetreuung nach Suizidtod und die Begleitung der Polizei bei Übermittlung einer Todesnachricht.

Zahl der Einsätze steigt

Die Notfallseelsorger der katholischen und evangelischen Kirche kommen zu allen – auch zu den Menschen, die ausgetreten sind. Allerdings bereitet Rieske die Zahl der Kirchenaustritte Sorgen, denn über die Kirchensteuer wird auch die Seelsorge finanziert. Pater Jürgen Langer und Pfarrer Albrecht Roebke koordinieren als Hauptamtliche das Seelsorgeteam und wissen, dass die Zahl der Einsätze für die 22 ehrenamtlichen Mitarbeiter ständig steigt.

Benachrichtigt werden die Notfallseelsorger von Rettungsdiensten oder der Polizei. Oft gehe es zunächst darum, den emotional stark beanspruchten Angehörigen zu erklären, warum plötzlich die Kriminalpolizei vor der Tür steht und den Leichnam mitnimmt, sagte Roebke. Dann gelte es, den Angehörigen zu erklären, dass das nicht bedeute, dass man ihnen die Schuld gibt.

Wenn ein natürlicher Tod ausgeschlossen werde, bleibe nur Fremdverschulden oder eine unklare Ursache, und da ist der Abtransport des Leichnams in die Gerichtsmedizin eine Standardprozedur. Das könnten aber die Einsatzkräfte oft nicht vermitteln. „Als Außenstehende sind die Seelsorger glaubwürdiger.“ Die geistliche Unterstützung werde von allen angenommen. „Da gibt es keinen antikirchlichen Reflex“, erklärte Roebke.

Forderung nach einem Opferschutzkonzept

In der Regel werden Einzelpersonen betreut, Großeinsätze wie das Loveparade-Unglück 2010 oder der Germanwings-Absturz 2015 sind die Ausnahme. Letztlich wolle man den Angehörigen helfen, ihre „persönliche Steuerungsfähigkeit“ wiederzulangen. Für Roebke gibt es zu viele „blinde Flecken“ zwischen dieser Akutbetreuung und der langfristigen Versorgung. Da müsse nachgebessert werden, ebenso bei der Versorgung von Täter-Angehörigen, die das Opferentschädigungsgesetz nicht abdeckt. „Die fallen oft durch.“

Dem stimmte Rieske zu. Es bedürfe eines Opferschutzkonzeptes, wie es Kurt Beck nach dem Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz gefordert habe. „Da reicht das, was wir haben, nicht aus.“ Darüber hinaus würde er sich eine Checkliste in den Leitstellen wünschen – als Leitfaden dafür, wann die Notfallseelsorger kontaktiert werden. Langer wünscht sich zudem mehr Beteiligung vom Staat an diesem Angebot. „In NRW gibt es schon einige Kommunen, die sich finanziell an der Notfallseelsorge beteiligen.“

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