16-jähriges Flüchtlingsmädchen in Bonn Nujeen will Astronautin werden

Tannenbusch · Nujeen Mustafa ist Romanheldin. Es ist die Geschichte einer 16-jährigen Kurdin, die vor Krieg und Zerstörung von Syrien durch halb Europa nach Deutschland floh, und zwar im Rollstuhl.

 Da werden Erinnerungen wach: Versonnen hört Nujeen Philipp Seehausen zu, der ihre Geschichte aus Christina Lambs Buch vorliest.

Da werden Erinnerungen wach: Versonnen hört Nujeen Philipp Seehausen zu, der ihre Geschichte aus Christina Lambs Buch vorliest.

Foto: Stefan Knopp

Versonnen lauschte Nujeen Mustafa der Lesung in der Buchhandlung am Paulusplatz, man konnte geradezu auf ihrem Gesicht lesen, wie Erinnerungen wach wurden. Es war ihre eigene Geschichte, festgehalten in einem Roman der preisgekrönten Autorin Christina Lamb, aus dem Buchhändler Philipp Seehausen vorlas.

„Als wir hergekommen sind, war das ein schönes Gefühl“, sagte die 17-Jährige bei der Lesung mit Abendessen im Beisein von geladenen Gästen. „Wir hatten unser Ziel erreicht.“

Mit ihren zwei Schwestern und den vier Kindern der älteren hatten sie sich von Aleppo aus auf den Weg gemacht. Die ganze Zeit über musste Nujeen, deren Beine von Geburt an gelähmt sind, geschoben, mitunter auch getragen werden.

Auf einem Schlauchboot ging es übers Mittelmeer, quer durch den Balkan, schließlich nach Deutschland. Unterwegs war sie Journalisten aufgefallen, ihr Gesicht kennt man inzwischen in vielen Ländern.

Seit 13 Monaten lebt sie mit ihren Schwestern in Wesseling. Für diese kurze Zeit spricht sie hervorragend Deutsch. Fremdsprachen zu lernen falle ihr leicht, sie kann sich auch sehr gut auf Arabisch und Englisch verständigen. „Ich glaube, dass ich dieses Talent habe.“

Lieblingswort "Geschnetzeltes"

Viele deutsche Vokabeln seien kompliziert, etwa „Rasierapparat“ oder „Geschwindigkeitsbegrenzung“, sagte sie. „Und ich bekomme Kopfschmerzen, wenn ich an die Artikel denke.“ Besonders gefalle ihr das Wort „Geschnetzeltes“.

Das aufgeweckte Mädchen liest viel, hört gerne Musik, besonders liebt sie Mozart und Beethoven, sie schaut gerne Dokumentarfilme und interessiert sich für Fußball. Da hat sie sich auch schon eine Meinung angeeignet: „Der FC Bayern hat die Bundesliga langweilig gemacht.“

Wissen saugt sie wie ein Schwamm auf. „Ich muss immer etwas Neues lernen, jeden Tag.“ Und wenn es dabei um den Weltraum geht, umso besser. Denn Nujeen hat hehre Ziele: „Ich versuche, Astronautin zu werden.“ Und wenn sie dabei außerirdisches Leben entdeckt, ist das noch besser.

Der Rollstuhl hält sie nicht vom Träumen ab

Der Rollstuhl hält sie nicht vom Träumen ab. Ihre Diagnose lautet leichte Tetraspastik. „Ich lebe damit“, sagte Nujeen. „Ich liebe es, wie ich bin.“ Und wenn irgendwo eine körperbehinderte Frau in den Weltraum fliegen könne, dann in Deutschland. Denn hier mache eine Behinderung keinen so großen Unterschied wie in der Heimat.

Die vermisst sie allerdings. „Irgendwann will ich zurück.“ In Deutschland sei sie nur Gast, den Begriff Flüchtling mag sie nicht. Sie will ihre Eltern nach Deutschland holen. Da sie noch minderjährig ist, geht das etwas einfacher. „Aber ich habe noch keine Aufenthaltsgenehmigung.“

Die Flucht als Abenteuer

Bei allem Elend und allen Strapazen auf der Flucht hat sie sich ein heiteres Wesen bewahrt. „Ich dachte mir, ich will einfach Spaß haben, weil ich weiß, dass ich das nicht wieder erleben werde.“

Das weite blaue Meer, das sie nie zuvor gesehen hatte, Küste, Berge, Landschaften und Städte auf dem Weg nach Deutschland: Für sie war die Flucht nicht nur anstrengend und dramatisch, sondern auch ein Abenteuer.

Das Buch „Nujeen – Flucht in die Freiheit“ von Christima Lamb ist im Harper Collins Verlag erschienen, ISBN: 9783959676342, Preis: 18 Euro.

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