Spaziergänger füttern die kleinen Nager Nutria sind die Attraktion in der Rheinaue

Bonn · Etwa 50 Zentimeter groß, ein spitzer Schwanz und rote Nagezähne: Man muss nicht lange suchen, bis einem am Seeufer in der Rheinaue die erste Nutria über den Weg läuft. Die Nager locken ständig mehr Besucher an.

Sie sind inzwischen fester Bestandteil der Tierwelt im Freizeitpark Rheinaue – und doch sind sie irgendwie neu, unbekannter, unberechenbarer als Enten oder Schwäne. „Ja, wir haben diese niedlichen Pelztierchen schon öfter gesehen, aber wir wissen nicht genau, was es ist“, sagt eine Familie, die nach eigenen Angaben regelmäßig am See unterwegs ist. „Sie sehen aus wie ein Biber“, meint ein anderer Spaziergänger. Auch er stellt sich die Frage: Was sind das eigentlich für Tiere, und wie muss man mit ihnen umgehen? Wie nah darf man sich an sie herantrauen?

Eines steht fest: Zurückhaltend sind die Nutria nicht. Sie kommen ganz selbstverständlich auf Menschen zu. Ein Problem, findet Christian Montermann, Wissenschaftler des Museums Koenig. Zu viel Nähe, beispielsweise durch Füttern, sorge dafür, „dass die Nutria ihre Scheu verlieren und die Distanz zwischen ihnen und den Spaziergängern immer geringer wird. Das kann natürlich auch zu Bissen führen.“

Generell ist ein Nutria-Biss nach Angaben von Montermann nicht mehr oder weniger gefährlich als Bisse anderer Wildtiere. Der eher zur Flucht neigende Nager beiße – wenn überhaupt – als Abwehrreaktion oder gar versehentlich, wenn er gefüttert wird. Das kann schmerzhaft sein und sogar blutig ausgehen, größere Infektionsgefahren sehen Experten des Robert-Koch-Instituts allerdings nicht. Das bestätigt auch die Stadt Bonn.

Besucher sollen Tiere nicht füttern

Spaziergänger oder Tierfreunde sollten tunlichst auf Fütterungen verzichten, sagen sowohl Montermann als auch die Stadt. Warum? „Die Umwelt leidet darunter, wenn freilebende Tiere mit Lebensmitteln gefüttert werden. Es bilden sich Sedimentschichten auf dem Grund des Rheinauensees, die Wassergüte nimmt ab und letztendlich droht der See umzukippen, weil Algen sich verbreiten“, erklärt das Bonner Umweltamt. Das ist in den vergangenen Jahren auch mehrfach passiert.

Natürliche Auslese durch Nahrungsknappheit verhindert normalerweise die zu starke Ausbreitung einer Art. Fütterungen haben nach Erkenntnissen der Stadt aber schon bei Wasservögeln dafür gesorgt, dass mittlerweile rund 150 Enten und Gänse in der Rheinaue leben. Und die Nutria? Montermanns Beobachtungen zeigen, dass aus etwa drei Tieren vor wenigen Jahren mittlerweile ein Bestand von 20 Tieren gewachsen ist.

Und das ist noch nicht das Ende: Drei Würfe pro Jahr, Wurfgrößen von drei bis sechs Jungtieren – die Nutria können sich schnell vermehren und bei weiterer Fütterung regelrecht zu einer Plage an den Ufern des Auensees werden. Warum ein großer Bestand der Nager verhindert werden sollte, begründet Montermann: „Ein Problem für einheimische Arten kann entstehen, wenn sensible Schilfgürtel durch Nutria abgefressen werden und damit die oft geschützten Tierarten des Schilfbereichs ihren Lebensraum verlieren.“ Das Bonner Umweltamt bestätigt das, ergänzt aber, dass die Nager gleichzeitig schädliche Pflanzen wegfressen.

Nutria sind eigentlich in Deutschland fremd

Gerade weil die Nutria keine heimischen Tiere sind, stehen sie im Mittelpunkt von Diskussionen. So findet der Naturschutzbund (Nabu) NRW, dass die Nager, wenngleich sie in Deutschland etabliert sind, fremde Invasoren bleiben. Obwohl der Nabu ausdrücklich gegen eine reguläre Bejagung der Nutria steht, wird doch deutlich, dass er deren Existenz in Deutschland nicht gutheißt.

Bei der Stadt indes freut man sich, dass die Tiere zu einer Attraktion in der Rheinaue avancieren. Man werde die Entwicklung beobachten, heißt es aus dem Stadthaus. Implizit steckt in dieser Aussage aber auch, dass man sich ein Umdenken vorbehält, sollte sich der Bestand unkontrolliert vergrößern.

Für Besucher sind angemessene Umgangsformen also genauso einfach wie sinnvoll: Ein „Nutria-Tourismus“ kann nur funktionieren, wenn Abstand gehalten wird und die Tiere nicht gefüttert werden. Dann, so sagt Montermann, „kann er sogar als Chance dienen, dass sich mancher Städter wieder etwas mehr mit der Natur beschäftigt“.

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