Hoffnung auf mehr Freiheiten Hohe Impfbereitschaft bei Bonner Obdachlosen

Bonn · In Bonn werden nun die Obdachlosen gegen Corona geimpft. Die Impfbereitschaft unter ihnen ist hoch, sagt der Verein für Gefährdetenhilfe. Die Geimpften hoffen auf mehr Freiheiten.

Auch im Haus Michael war am Montag die Bereitschaft der Bewohner hoch, sich impfen zu lassen.

Foto: Benjamin Westhoff

Michael sitzt auf einem der drei weißen Plastikstühle vor dem Haus Sebastian und wartet darauf, dass er vielleicht etwas Normalität zurückbekommt. Seit einem halben Jahr lebt er in der Einrichtung für Obdachlose. An diesem Morgen bekommen er und die anderen ihre Corona-Impfung.

„Ich hoffe, dass die Impfung mit Freiheiten verbunden ist“, sagt Michael. „Es wäre schön, wieder einen normalen Alltag zu haben.“ Nicht mehr die Maske tragen, wenn er das Zweier-Zimmer, in dem er lebt, verlässt, um zu duschen. Vielleicht wieder fernsehen oder kickern im Gemeinschaftsraum.

Michael sagt, er habe nicht lange überlegen müssen, als er das Angebot bekam, sich impfen zu lassen. Das Risiko von Nebenwirkungen hält er für überschaubar. Der 42-Jährige sagt: „Die Fakten sprechen dafür, dass die Impfung sinnvoll ist.“

90 Menschen im Haus Sebastian über Impfung informiert

Wie Michael hätten auch die meisten anderen Bewohner reagiert, als sie ihnen mitteilte, dass sie sich impfen lassen können, berichtet Sozialarbeiterin Imke Freischem. Mit ihren Kolleginnen hat sie die rund 90 Menschen im Haus Sebastian über die Impfung informiert. Während sie spricht, wirft ein Mann, der ebenfalls auf seine Impfung wartet, von der Seite ein: „Hoffentlich hört das bald auf mit dem Corona-Mist.“

„Es ist eine Riesenerleichterung“, sagt Michael Heidekorn über die Impfaktion. Heidekorn leitet das Haus Sebastian. Ein Ausbruch in der Einrichtung hätte ein großes Problem bedeutet. „Wir haben meist nur zwei Mitarbeiter im Dienst“, sagt Heidekorn. „Wenn hier jemand krank wird, dann wird’s richtig eng.“

Bewohner haben sich gut an die Auflagen gehalten

Wie mühsam das vergangene Jahr für ihn war? „Ich hätte es mir anstrengender vorgestellt“, sagt Heidekorn. Die Bewohner hätten sich gut an die Auflagen gehalten. So sei ein vergleichsweise normaler Ablauf möglich gewesen. Dennoch mussten auch hier soziale Kontakte reduziert werden. „Das hat die Bewohner besonders getroffen“, erklärt Heidekorn. „Die haben ohnehin schon kaum soziale Kontakte.“

Die Sozialarbeiterin ruft Michaels Namen auf. Er geht hinein, um sich seine Spritze mit dem Wirkstoff von Johnson und Johnson abzuholen. In anderen Obdachlosen-Einrichtungen sind bereits Impfaktionen gelaufen. Am nächsten Tag gibt es eine letzte im Prälat-Schleich-Haus. Insgesamt habe man dann etwa 900 Menschen in Obdachlosen-Einrichtungen und Frauenhäusern geimpft, sagt Jörg Schneider von der Bonner Feuerwehr.

In der Obdachlosenunterkunft in der Quantiusstraße waren die Dosen schnell verimpft

Schneider koordiniert die mobilen Impfteams. Er sagt, in der Regel gehen bei einem solchen Termin 50 bis 60 Prozent der eingeplanten Impfdosen weg. Anders in der Obdachlosenunterkunft in der Quantiusstraße. Dort ist schon in der vergangenen Woche geimpft worden. „Die Dosen waren ruckizucki weg“, sagt Schneider.

Von einer regelrechten Impf-Euphorie spricht Nelly Grunwald. Sie ist Geschäftsführerin beim Verein für Gefährdetenhilfe, der sowohl die Einrichtung in der Quantiusstraße als auch das Haus Sebastian betreibt. Das Angebot habe sich schnell herumgesprochen. „Am Ende war die Stimmung gelöst“, sagt Grunwald. „Das war eine Befreiung.“ Viele der Menschen seien körperlich nicht in einem gutem Zustand. „Aber jetzt können sie zumindest nicht mehr schwer erkranken.“

Nach 25 Minuten steht Michael wieder vor dem Haus Sebastian. Wie fühlt er sich jetzt? „Stabil“, sagt er. „Ich freue mich sehr auf einen normalen Alltag.“