Bonner Schwurgericht Obdachloser für Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt

Bonn · 39-jähriger Obdachloser ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Das Schwurgericht sah es als erwiesen an, dass der Mann sein Opfer, mit dem er längere Zeit zusammengelebt hatte, so stark mit Schlägen verletzte, dass dieser daran gestorben war.

 Ein Obdachloser musste sich vor dem Schwurgericht verantworten. Er war bei einem älteren Herrn untergekommen, den er so schwer verletzte, dass er kurz daraufhin starb.

Ein Obdachloser musste sich vor dem Schwurgericht verantworten. Er war bei einem älteren Herrn untergekommen, den er so schwer verletzte, dass er kurz daraufhin starb.

Foto: dpa/Oliver Berg

„Eine solche Geschichte ist kaum vorstellbar.“ Klaus Reinhoff, Vorsitzender des Bonner Schwurgerichts, wiederholte am Dienstag deutlich sein Unverständnis: „Ein gutmütiger, friedlicher Herr nimmt über Monate einen jungen Obdachlosen in seiner kleinen Wohnung auf, gibt ihm ein Dach und zu essen. Und der Jüngere beantwortet diese Großzügigkeit mit furchtbaren Schlägen und Tritten, so schlimm, dass der alte Mann schließlich an den Folgen der Verletzungen stirbt.“ Am 30. Juni vergangenen Jahres wurde der 76-Jährige in seiner Einzimmerwohnung im Pennenfeld von der Polizei gefunden. Seit Stunden bereits lag er leblos auf seinem Sofa, neben ihm der Hund des Täters; er selbst hatte aus Angst vor einer Festnahme das Weite gesucht. Drei Tage später jedoch wird der Junkie wegen Verdachts auf Totschlag verhaftet.

Obdachloser habe den Mann nicht töten wollen

Zu sechs Jahre Haft hat das Schwurgericht den 39-jährigen Obdachlosen am Dienstag verurteilt. Allerdings nicht wegen Totschlags, wie von der Staatsanwältin im Schlussplädoyer mit zehn Jahren Haft gefordert, sondern wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Denn davon waren die Richter nach vier Verhandlungstagen überzeugt: Der Angeklagte habe den Tod des Rentners nicht gewollt. Sie nahmen ihm ab, dass er nicht damit gerechnet hat, dass seine Schläge tödlich sind. „Ich kann nicht glauben, dass ich für seinen Tod verantwortlich sein soll“, hatte der 39-Jährige immer wieder im Prozess beteuert.

Monatelang hatten die beiden Männerfreunde auf engstem Raum gelebt: Der Jüngere hatte sein Reich auf einer Matratze und spielte mit seiner Playstation, der Ältere auf dem Sofa und hantierte unentwegt am Computer. Aber das permanente Klicken mit dem Joystick konnte der Jüngere zunehmend weniger aushalten. „Es hat mich wahnsinnig gemacht“, hatte der 39-Jährige gestanden, da habe er dem Freund immer wieder auf die Beine geschlagen, damit er endlich aufhört. Aber der Alte sei in seiner Sucht nicht erreichbar gewesen, er habe ungerührt weiter gespielt.

Mit Schlägen die Muskelfasern des Opfers „regelrecht zerfetzt“

Aber die angeblich „leichten Schläge“ des Angeklagten – unklar, ob mit Faust, Handkante oder Tritte – müssen so eine Wucht gehabt haben, dass die Muskelfasern in Beinen und Armen „regelrecht zerfetzt“ wurden, so Reinhoff. Der 76-Jährige sei schließlich innerlich verblutet. Das müsse, so hatte es der Sachverständige im Prozess berichtet, ein „langsamer, qualvoller Tod“ gewesen sein, der sich über Stunden hingezogen hat. „Echt krass“, so die fast schon hilflose Reaktion des Angeklagten auf den erschütternden Bericht des Gerichtsmediziners.

Widerlegt wurde der Angeklagte auch mit seiner Behauptung, dass der ältere Freund vor seinem Tod wiederholt gestürzt und auch, dass er mit dem Kopf an eine Tischkante gefallen sei. Eine Schutzbehauptung, so Reinhoff, denn die Verletzungen stammten eindeutig nicht von Stürzen, sondern von Schlägen.

„Sie sind verantwortlich, dass der alte, freundliche Herr tot ist“, sprach der Richter dem Angeklagten am Ende noch mal deutlich ins Gewissen. Es sei sehr bitter, dass „wir von dem Mann fast nichts wissen, außer dass er in Norderney geboren wurde und lange in Bonn gelebt hat. Am meisten wissen wir über sein qualvolles Sterben.“

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