Angststörungsambulanz des Bonner Uniklinikums Oft fehlt es an der richtigen Diagnose

BONN · Die Angststörungsambulanz des Bonner Uniklinikums leistet erste Hilfe bei psychischen Erkrankungen. Die Einrichtung gibt es mittlerweile seit etwa einem Jahr gibt. Die insgesamt bis zu 1500 Patienten, die im Klinikum und in der Ambulanz behandelt werden, kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten.

 Im Gespräch: Franziska Geiser leitet die Klinik für Psychosomatische Medizin.

Im Gespräch: Franziska Geiser leitet die Klinik für Psychosomatische Medizin.

Foto: Barbara Frommann

Die Schmerzen waren manchmal unerträglich. Die 33-Jährige hatte schon eine halbe Odyssee bei allen möglichen Fachärzten hinter sich. Sie war beim Internisten, hatte eine Magenspiegelung hinter sich und etliche Blutuntersuchungen. Organisch sei bei ihr alles in bester Ordnung, hatte der Hausarzt ihr attestiert und ihr geraten, mal zur Offenen Angststörungsambulanz des Bonner Uniklinikums zu gehen. "Ein absolut typischer Fall", meint Professorin Franziska Geiser, die die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Uniklinikum leitet.

Nicht selten werden Patienten vom Kardiologen oder von der Notfallambulanz an die Angststörungsambulanz, die es seit etwa einem Jahr gibt, weiterverwiesen. "Für viele ist es schon ein erster Schritt, wenn ihrem Leiden ein Name gegeben werden kann", sagt Oberarzt Rupert Conrad. Da kommen Patienten, die schon ein paar Mal umgekippt sind, vermehrten Herzschlag haben und zittern - doch internistisch ist alles abgeklärt. Wenn sie dann die Diagnose bekommen, dass es sich um eine Depression oder Panikstörung handelt, dann wissen sie, dass ihnen jetzt geholfen werden kann, so die Mediziner. Es dauert oft Jahre, bis ein Patient die Diagnose bekommt. Klar, wer an Schlaflosigkeit leidet und mit verschiedenen körperlichen Symptomen zum Arzt geht, wird erst auf organische Ursachen hin untersucht.

Dabei führen die psychischen Erkrankungen längst die Hitlisten bei Krankmeldungen an. "Die meisten Ausfalltage erfolgen aufgrund von Depressionen und Angstzuständen. Diese Diagnosen waren Ursache für 18,7 Prozent der Fehltage", so Ingrid Adam, Leiterin der DAK-Bonn, die gestern ihren Gesundheitsreport vorlegte. Dafür wurden Daten von 42 000 DAK-Krankenversicherten aus der Region ausgewertet. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der psychisch Erkrankten verdoppelt, so Adam. Bei den Langzeiterkrankungen macht die Behandlung dieser Menschen in Bonn und Rhein-Sieg 43,1 Prozent aller Fehltage aus.

Besonders betroffen sei die sogenannte Rushhour-Generation, jene 29- bis 40- Jährigen, die privat und beruflich alles geben: "Das ist die Zeit, wo alles passieren muss: Der Karrieresprung und die Familienplanung", so Adam. Geiser bestätigt das. Das Gros ihrer Patienten ist zwischen 18 und 40 Jahren alt - und weiblich. Letzteres hänge aber wohl auch damit zusammen, dass Männer sich eine psychische "Schwäche" nicht so leicht zugestehen und den Gang in die Kneipe dem zum Psychotherapeuten vorziehen.

Dabei ist mit der psychischen Erkrankung wirklich nicht zu Spaßen: "Eine Angststörung führt zu einem Verlust an gesundheitsbezogener Lebensqualität, was vergleichbar mit 20 Lebensjahren ist. Also: Ein 30-jähriger Patient mit solchen Symptomen fühlt sich wie ein 50-Jähriger", so Geiser.

Die insgesamt bis zu 1500 Patienten, die im Klinikum und in der Ambulanz behandelt werden, kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten: Von der Reinigungskraft, die bei der Zeitarbeitsagentur beschäftigt ist, über den Studenten mit extremer Prüfungsangst bis zum Klinikarzt oder Unternehmensmanager. "Burnout", klärt die Wissenschaftlerin in diesem Zusammenhang auf, "ist keine Krankheit, sondern ein Prozess." Auch hier helfe der Ausdruck vielen Betroffenen dabei, sich ihrer Erkrankung zu stellen.

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