Thomaskirche in Röttgen Pastoren-Casting an der Nordsee

Röttgen · Nach 22 Jahren in Röttgen wechselt Jörg Zimmermann nach Sande in Friesland. Dort wurde der 54-Jährige kürzlich zum neuen Pfarrer gewählt.

 In mehr als zwei Jahrzehnten hat sich im Arbeitszimmer von Jörg Zimmermann viel angesammelt. Da heißt es sichten, aussortieren, wegschmeißen und Umzugskisten packen.

In mehr als zwei Jahrzehnten hat sich im Arbeitszimmer von Jörg Zimmermann viel angesammelt. Da heißt es sichten, aussortieren, wegschmeißen und Umzugskisten packen.

Foto: Max Malsch

Ein Pfarrer, der die Gemeinde nicht nur als Seelsorger entscheidend geprägt hat, sondern sich auch schon selbst mal gerne auf die Schippe nimmt und sich nicht zu fein ist, nachts im Zelt der Dorfkirmes Wache zu schieben, den lässt man nicht gerne ziehen. Doch es ist nicht mehr zu ändern: Nächste Woche steht der Möbelwagen vor der Tür der evangelischen Thomaskirche in Röttgen. Pfarrer Jörg Zimmermann geht. Den Seelsorger und zweiten stellvertretenden Superintendenten des Kirchenkreises Bonn zieht es nach Sande in Friesland, nahe Wilhelmshaven. Dort wurde der 54-Jährige kürzlich zum neuen Pfarrer gewählt.

„Pastoren-Casting in Sande“ hatte zuvor eine dortige Lokalzeitung getitelt. Zimmermann wunderte sich zunächst über das große mediale Interesse an dem regulären Bewerbungsverfahren. „Bis mir jemand erzählte, dass gleich zwei Presbyter der Gemeinde in verschiedenen Lokalblättern als Journalisten tätig seien“, sagt er mit einem Schmunzeln. Natürlich wurde auch seine Wahl mit einer großen Schlagzeile im Sandener Blätterwald bedacht, was einigen Röttgenern nicht verborgen blieb. So sprach sich Zimmermanns Abschied schnell rum.

In das große Bedauern seiner Kollegen und Gemeindemitglieder mischt sich auch Verständnis: „Wir verlieren einen profilierten Kollegen, der der Kirche weit über die eigene Gemeinde hinaus ein Gesicht gegeben hat. Aber ich kann gut nachvollziehen, dass er noch einmal etwas Neues beginnen möchte“, sagt Pressepfarrer Joachim Gerhardt, der mit Zimmermann nicht nur kollegial eng verbunden, sondern auch befreundet ist.

Und was hat Zimmermann bewogen, sich mit bald 55 Jahren beruflich noch einmal zu verändern? „Ich bin jetzt 22 Jahre hier Gemeindepfarrer. Ich finde, das ist eine lange Zeit, und meine Frau und ich fanden den Gedanken äußerst reizvoll, noch einmal einen Neubeginn zu wagen“, sagt Zimmermann. Seine beiden Kinder aus erster Ehe sind inzwischen erwachsen und begrüßten den Wechsel ebenso wie die beiden Kinder seiner Frau. Das Ehepaar wird künftig nur 600 Meter von der Nordsee entfernt im Pfarrhaus in Cäciliengroden wohnen. Nein, wehmütig sei er nicht, sagt er nach kurzem Überlegen. Er ist vielmehr den Röttgenern dankbar für die Freundschaft und das Vertrauen, das ihm von Beginn an entgegengebracht worden sei.

Zimmermann kam in einer für die Gemeinde äußerst schwierigen Phase: Sein aus Thüringen stammender Vorgänger hatte ein Jahr zuvor gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf gestanden, bis 1989 für die Stasi gearbeitet zu haben und war deswegen verurteilt worden. Wenn man ihn fragt, was ihm als Pfarrer in Röttgen besonders am Herzen gelegen habe, kommt Zimmermann schnell auf die Konfirmanden zu sprechen. „Ich finde es nach wie vor spannend und wichtig, Jugendliche in einer Phase zu begleiten, in der sie als schwierig gelten.“ Doch auch die Gottesdienste und die Kirchenmusik zunächst mit Ursula Stamp und in den letzten Jahren mit Anke Lehmann waren ihm stets sehr wichtig.

Dazu lobt er die gute ökumenische Zusammenarbeit in Röttgen, wie sie zurzeit insbesondere beim Engagement der Röttgener für die Flüchtlinge zu erleben sei, wo der Pfarrer sich gemeinsam mit seiner Frau engagiert hat. Zu seinen wichtigsten Projekten zählt er die Teilung der ursprünglichen Johanniskirchengemeinde mit insgesamt sieben Pfarrstellen. „Es waren vor allem die doppelten Entscheidungsstrukturen in den Pfarrbezirksausschüssen und im Presbyterium mit mehr als 40 Mitgliedern, die uns das Leben schwer machten“, erinnert er sich. Heute bildet die Thomaskirche in Röttgen mit der Jesus-Christus-Kirche in Witterschlick die Gemeinde am Kottenforst. „Niemand würde das heute noch einmal ändern wollen.“

Wichtig war Jörg Zimmermann auch seine Arbeit als Scriba im Bonner Kreissynodalvorstand, dem er seit 2000 angehört. „Ich wollte als Pfarrer nicht nur um den eigenen Kirchturm kreisen“, erklärt er. Ob er sich auch in Sande im Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven engagieren wird, lässt er offen. „Ich lasse erst einmal alles auf mich zukommen.“

Seinen letzten Gottesdienst hält Pfarrer Jörg Zimmermann am kommenden Sonntag ab 11 Uhr in der Thomaskirche, Herzogsfreudenweg. Im Anschluss lädt die Gemeinde zu einem Abschiedsempfang ein.

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