Landgericht Bonn Patient erfuhr nichts vom Tumorbefund

Bonn · Seit seiner Geburt trug der Familienvater ein Muttermal am linken Schulterblatt. 2008 ließ sich der Mann den auffälligen Leberfleck in einer Hautarztpraxis entfernen. Von dem dramatischen Befund erfuhr der Patient nichts.

 Das Arbeitsgericht muss sich mit der Kündigung des Busfahrers ein weiteres Mal befassen.

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Foto: dpa

Erst vier Jahre später, als der Mann wegen starker Bauchschmerzen in eine Klinik eingeliefert und notoperiert werden musste, wurde das Ausmaß der Erkrankung offenbar: Die Ärzte diagnostizierten zwei Tumore im Dünndarm und in der Lunge. Bis der Fehler in der Hautarztpraxis aufgedeckt wurde, glaubten die Mediziner, es seien primäre Krebsgeschwüre. Eine Überlebenschance hatte der 59-Jährige nicht mehr. Er starb im August 2012 nur zwei Monate nach der Operation.

Die Witwe und der Sohn haben die Hautarztpraxis auf Zahlung von 100.000 Euro Schmerzensgeld sowie weiteren 30.000 Euro Schadensersatz für Bestattungskosten und Unterhaltsschäden verklagt. Wenn ihrem Mann schon 2008 die Diagnose mitgeteilt worden wäre, hätte er frühzeitig therapiert werden können. Auch hätten tiefere Hautschichten des Muttermals vorsichtshalber entnommen werden müssen. Schließlich hätte man auch, so eine Gutachterin, die nächstliegende Lymphdrüse entfernen und untersuchen müssen, ob das hochaktive „maligne Melanom“ mit einer Tumordicke von 0,9 Zentimetern Metastasen gebildet hat.

Warum der histologische Befund damals nicht weitergegeben worden ist, können sich die verklagten Mediziner nicht erklären. Einer der beiden meinte, man habe eine Mitarbeiterin beauftragt, den Patienten zu informieren. Allein das hält die Gutachterin für einen „groben Behandlungsfehler“. Es sei Sache des Arztes, einen Patienten bei einer solchen Diagnose einzubestellen und mit ihm zu sprechen.

Die Sachverständige widersprach auch der Auffassung der Ärzte, dass bei diesem Befund der Krankheitsverlauf nicht anders gewesen wäre, wenn der Patient es früher erfahren hätte: „Jeder Krebsverlauf ist individuell. Es gibt keine Vorhersagen.“ Für Eugen Schwill, Kammervorsitzender der 9. Zivilkammer, stand außer Frage, dass die Ärzte bei einem solchen Fehlverhalten grundsätzlich haften. Nur beim Schmerzensgeld musste die Vorstellung der Familie korrigiert werden. „Schmerzensgeld gibt es nur für das Leid des Betroffenen, solange er lebt.“ Schließlich einigten sich die Parteien auf 55.000 Euro, die die Mediziner zahlen müssen.

AZ: LG Bonn 9 O 39/15

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