Pendlerstudie Das will die IHK gegen den Verkehrsinfarkt in Bonn tun

Bonn · Eine neue IHK-Studie zeigt, wie belastet die Verkehrsinfrastruktur durch pendelnde Arbeitnehmer ist. Dabei plädiert die Kammer nicht nur für mehr neue Straßen. Ein Detail mag überraschen.

 Stau in Bonn.

Stau in Bonn.

Foto: Nicolas Ottersbach

Wie um zu beweisen, dass sie keine Betonköpfe sind und nur auf den stark umstrittenen Ausbau von Tausendfüßler und die Errichtung der Südtangente setzen, erzählten die beiden IHK-Spitzenvertreter am Dienstag, dass sie sich E-Bikes beziehungsweise Pedelecs zugelegt hätten. Ja, die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg bietet ihren Mitarbeitern inzwischen auch das Leasen von E-Bikes an.

Dies berichteten IHK-Präsident Stefan Hagen und Geschäftsführer Stephan Wimmers anlässlich der Vorstellung einer neuen Pendlerstudie. Die letzte hatte die Kammer vor fünf Jahren veröffentlicht. Die Untersuchung belegt, dass Verkehrsstaus in der Region nicht nur ein gefühltes Problem sind: Die Zahl der Einpendler, also der Menschen, die zum Arbeiten in die Region fahren, ist zwischen 2013 und 2019 um mehr als 16 Prozent gestiegen, die der Auspendler um mehr als elf Prozent. Im Saldo überqueren 2580 mehr Erwerbstätige die Grenzen des IHK-Gebiets, um hier zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen, als ihn Erwerbstätige verlassen. 2013 war es noch andersherum, da gab es über 4000 mehr Aus- als Einpendler.

Die meisten Einpendler hat Bonn, pro Arbeitstag 141.000, rechnet man die Auspendler gegen, kommt die Studie (Stand Juni 2019) auf einen Pendlersaldo von 82.000. Einen Pendlerüberschuss verzeichnen auch Siegburg (+5200) sowie weit abgeschlagen Troisdorf (+1200), Sankt Augustin (+400) und Meckenheim (+104). Alle anderen Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis hatten zuletzt mehr Aus- als Einpendler, mit dem Saldo an der Spitze stehen Niederkassel (-12.000), Bornheim (-10.500) und Königswinter (-9500).

Mobilität hat auch etwas Positives

 IHK-Geschäftsführer Wimmers sagte bei dem virtuellen Pressegespräch am Dienstag, „im Grundsatz hat die Entwicklung auch etwas Positives“, denn für die Unternehmen bedeute diese Mobilität, dass der Arbeitskräftepool größer sei. Aber es lässt sich nicht herumreden: Für die Verkehrsinfrastruktur bedeutet die Entwicklung, die laut IHK-Präsident Hagen nur eine Momentaufnahme ist und „nicht stagniert, das wird immer mehr“, eine Herausforderung.

Schnelle Lösungen gibt es für diese Herausforderungen nicht, aber neben dem Ausbau der Straßeninfrastruktur, an der aus Sicht der IHK kein Weg vorbeiführt, will man einen Mix von Alternativen zum Pkw schaffen. Wimmers sagte: „Wir wollen Anreize schaffen, auf andere Verkehrsträger umzusteigen.“ Laut Hagen ließen sich etwa Park&Ride- beziehungsweise Bike&Ride-Plätze, wo Pendler vom Auto oder Fahrrad in Bus oder Bahn umsteigen können, „in vernünftigen Zeiträumen umsetzen“. Auch Radschnelltrassen, die getrennt von Autostraßen verlaufen sollen, seien relativ schnell realisierbar. Von Meckenheim und Rheinbach nach Bonn etwa gebe es viele Möglichkeiten für den Fahrradverkehr. „Dafür braucht man nur den politischen Willen“, erklärte Hagen. „Das kann man in der aktuellen Legislatur voranbringen. Ich bin da immer noch optimistisch.“

Plädoyer für Südtangente

Die Logistikbranche und insbesondere den Schwerlastverkehr muss die IHK aber auch im Blick haben. Hagen sprach sich erneut für den sechsspurigen Ausbau des Tausendfüßlers inklusive einer Standspur aus. Ansonsten würde der Lkw-Verkehr künftig durch die Bonner Innenstadt fahren. „Und Supermärkte kann man nicht mit den Lastenfahrrad beliefern“, erklärte er mit Blick auf das neu eingeführte Lastenrad, mit dem die Bonner Innenstadthändler ihre Kunden jetzt beliefern können. Auf die gesamte Region gesehen plädiert die IHK auch für die Südtangente, die die A565 im Süden über den Ennert mit der A3 im Osten verbinden würde – allerdings enthält hier die Pendlerstudie die einschränkende Bemerkung, dass nicht alle IHK-Unternehmen dieses Projekt unterstützten. „Eine Tunnellösung wäre aus Umweltgründen zu bevorzugen“, sagte Hagen.

Zudem setzt sich die IHK für die Umsetzung mehrerer Bahnprojekte ein, so für den Bau der Bonner Westbahn sowie der Stadtbahn Niederkassel, die sie als eines der wichtigsten Verkehrsprojekte der Region bezeichnet. Sie soll langfristig auch Bonn und Köln verbinden. Zu den öffentlichen Verkehrsprojekten gehört ferner die Seilbahn in Bonn. Ausdrücklich unterstützt die IHK auch die sogenannte Rheinspange, also eine neue Rheinbrücke bei Godorf. Das sei für Schwerlastunternehmen enorm wichtig.

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