Interview Peter Ruhenstroth-Bauer: "Stadtteilbüchereien nicht schließen"

BONN · Bislang war Peter Ruhenstroth-Bauer auf der kommunalpolitischen Bühne ein unbeschriebenes Blatt. Am 28. Februar nominierte die SPD ihn zum OB-Kandidaten. Parteichef Ernesto Harder, der gegen Ruhenstroth-Bauer deutlich unterlag, trat wenige Tage später als SPD-Vorsitzender zurück.

Mit Peter Ruhenstroth-Bauer sprachen Andreas Baumann und Lisa Inhoffen.

Was motiviert Sie mit 58 Jahren, als OB-Kandidat anzutreten?
Ruhenstroht-Bauer: Ich habe über Jahre landes- und bundespolitische Erfahrungen gesammelt und vieles auch umgesetzt. Diese Kompetenzen kann ich gut in Bonn einbringen. Aber nur in der Kommunalpolitik bekommt man unmittelbare Rückmeldung. Das spornt mich an, und deshalb habe ich nach reiflicher Überlegung Ja gesagt, nachdem ich von unserem Landtagsabgeordneten Bernhard von Grünberg gefragt worden bin. Ich kenne Bonn sehr gut, obgleich ich hier nie in der Kommunalpolitik aktiv war. Aber ich habe mich immer in der Partei engagiert.

Die Bonner SPD wirkt nach dem Rücktritt ihres Vorsitzenden Ernesto Harder zerrissen. Wie wollen Sie die Wähler überzeugen, dass die SPD auch geschlossen und schlagkräftig auftreten kann?
Ruhenstroth-Bauer: Sein Rücktritt ist eine individuelle Entscheidung, die ich nicht kommentiere. Wir hatten einen fairen Wettstreit, der für uns auch anstrengend war. Dann hat die Basis entschieden, jetzt gehen wir geschlossen in den Wahlkampf. Aber man darf nicht vergessen, es handelt sich um eine Personenwahl. Die Bürger entscheiden sich für den Kandidaten, dem sie das Amt zutrauen. Sie fragen sich weniger, ist das ein SPD- oder ein CDU-Mann.

Jürgen Nimptsch hat als OB-Kandidat bei seinen Wahlplakaten auf das SPD-Logo verzichtet...
Ruhenstroth-Bauer: Das ist nicht mein Verständnis von Wahlkampf. Natürlich ist man als Oberbürgermeister für alle Bürger zuständig. Aber auf der anderen Seite ist es auch wichtig, authentisch zu sein. Ich bin seit über 40 Jahren in der SPD und dazu stehe ich.

Wenn Sie OB werden, müssen Sie mit einer Jamaika-Koalition zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit zwischen Nimptsch und der schwarz-grünen Ratsmehrheit war eher schwierig. Was würden Sie anders machen?
Ruhenstroth-Bauer: Voraussetzung für gute Zusammenarbeit ist, dass die Verwaltung eigene Positionen formuliert, was sie aufgrund ihrer Erfahrung auch gut kann. Man muss als OB trotzdem schauen, wie die politischen Mehrheiten sind. Da muss man kompromissfähig, verhandlungsfähig und ergebnisorientiert sein. Das sind Voraussetzungen, die ich durch meine beruflichen Stationen regelrecht erlernt habe. Die Menschen in Bonn sind die Streitereien zwischen Rat und Verwaltung leid. Sie verlangen, dass man sich zusammensetzt und schaut, wo sind die richtigen Ansätze bei allen wichtigen Fragen von den Finanzen über Bildung und Kultur bis zum Sport. Aber das können Rat und Verwaltung auch nicht allein schaffen. Auch zusammen nicht. Dazu braucht es auch die ganze Stadtgesellschaft.

Was meinen Sie genau?
Ruhenstroth-Bauer: Bei den Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, müssen die Bürger mit ihren Ideen und Kompetenzen einbezogen werden. Wenn man den Schuldenberg sieht, den Bonn vor sich herschiebt, ist klar: Alle müssen sparen. Und Sparen ist nie eine schöne Sache. Wir alle müssen uns von bestimmten Dingen verabschieden. Das muss die Politik den Bürgern aber gut erklären. Das haben meiner Meinung nach in der Vergangenheit alle Parteien nicht so gut vermocht.

Was halten Sie von der geplanten Grundsteuererhöhung?
Ruhenstroth-Bauer: Der Stadtrat muss möglicherweise die Grundsteuer erhöhen, weil er gar nicht so viele andere Stellschrauben hat. Aber wir müssen auch sagen, wer das zahlen muss: Alle Eigentümer, die die Erhöhung auf die Mieter umlegen werden. Also werden die Mieten steigen. Durch eine sehr moderate Gewerbesteuererhöhung könnte eine Grundsteuererhöhung geringer ausfallen. So werden die Lasten von allen gemeinsam getragen.

Wo würden Sie sparen, um den Haushalt zu sanieren?
Ruhenstroth-Bauer: Es wäre unseriös, wenn ich sagen würde, ich habe schon die Rezepte zur Haushaltssanierung zur Hand. Grundsätzlich gilt für mich, dass ich zunächst hinter jede einzelne Position des Haushalts gucken werde. Und bevor ich eine Sparmaßnahme beschließe, will ich wissen, welche Auswirkungen hat das, gibt es Alternativen und vor allem, kostet uns die Einsparung am Ende nicht sogar mehr Geld?

Ein Beispiel...
Ruhenstroth-Bauer: Wenn ich bei den Sportvereinen und bei der Jugendarbeit spare, habe ich unter Umständen später höhere Kosten bei der Jugendsozialarbeit. Das ist kein Sparen mit Augenmaß. Oder das Beispiel Bad Godesberg: Ich kann nicht das Kurfürstenbad, das Bürgeramt und die Kammerspiele schließen, ohne zu sagen, was mit den Standorten geschieht. Dann kippt wohlmöglich ein ganzer Stadtteil. Das heißt nicht, dass ich die Kammerspiele als Spielstätte auf keinen Fall schließen würde. Aber ich möchte wissen, was mit dem Haus geschehen soll und welche Alternativnutzung möglich ist.

Was sagen Sie zu den Vorschlägen, das Frauenmuseum und das Deutsche Museum zu schließen?
Ruhenstroth-Bauer: Ich bin mit beiden Museen persönlich verbunden. Sie sind wichtig für die Kulturlandschaft. Auch hier gilt für mich die Frage, gibt es nicht alternative Lösungen, um die Häuser zu erhalten? Auch bei den Stadtteilbüchereien halte ich nichts davon, sie zu schließen. Eine intelligente Lösung wäre, dort auch Bürgerdienste der Stadt anzubieten.

Wie wollen Sie das Bäderproblem lösen?
Ruhenstroth-Bauer: Wir sind ohne Frage sehr gut mit Freibädern versorgt. Aber es geht nicht, einfach das eine oder andere zu schließen. Ich werde mir jedes einzelne Bad angucken. Nehmen wir das Friesdorfer Freibad. Dort engagieren sich Bürger, nehmen viel Geld dafür in die Hand. So eine Entscheidung kann kein Rat und keine Verwaltung alleine fällen. Da gehört die Bürgergesellschaft dazu. Warum sollte die Politik Lösungen vertreten, die die Bürger vor den Kopf stoßen, wenn es echte Alternativen gibt?

Die Kostentreiber sind aber die Hallenbäder.
Ruhenstroth-Bauer: Da sind wir auch noch nicht mit unseren Überlegungen am Ende. Die Hallenbäder sind wichtig vor allem für den Schulsport. Ich wage zu bezweifeln, dass wir ein Hallenbad schließen können.

Kann Bonn sich ein Festspielhaus überhaupt leisten?
Ruhenstroth-Bauer: Ich bin ein Befürworter des Festspielhauses. Aber nicht ohne Wenn und Aber. Allerdings: Wir sind ein herausragender Kulturstandort. Und das wollen wir bleiben. Wir sind eine internationale Stadt, da spielt das Festspielhaus eine große Rolle. Und wir sind die Stadt der Dax-Konzerne, die weltweit unterwegs sind. Das Festspielhaus wird ja nicht nur von der Post, sondern auch von starkem Bürgerengagement unterstützt. Davor habe ich hohen Respekt. Trotzdem finde ich gut, dass der Rat beschlossen hat, einen Gutachter auf den Businessplan gucken zu lassen.

Kann sich Bonn neben einem Festspielhaus weiter eine Oper leisten?
Ruhenstroth-Bauer: Ich finde es schade, dass es in der letzten Rats?periode nicht gelungen ist, sich konstruktiv mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Möglichkeit es für Bonn und Köln zur Zusammenarbeit gibt. Auch bei einem 1-A-Orchester ist denkbar, dass man 18 Tage in Bonn spielt und dann sechs Tage in Köln.

Viele Bürger beklagen, in Bonn bewege sich politisch zu wenig...
Ruhenstroth-Bauer: Ich glaube, Bonn leidet im Moment an Wachstumsschmerzen. Wir sind eine Boomtown. Kaufkraft und Arbeitsmarktzahlen sind vielversprechend. Das Gefühl ist eine andere Sache, hier liegen offensichtlich Stadtlust und Stadtfrust eng beieinander, und man kann den Eindruck gewinnen, das Glas sei halb leer. Als OB muss man aber die Debatte mit zukunftsorientierten Lösungen nach vorne bringen. Dann ist das Glas zwei Drittel voll.

Das Berlin/Bonn-Gesetz wird seit Jahren unterlaufen. Wie würden Sie sich als OB dazu stellen?
Ruhenstroth-Bauer: Es stimmt, es wird jeden Tag ein Stück mehr unterlaufen. Dabei haben die Bürger in Bonn und der Region auf das Gesetz vertraut. Ich glaube, es ist gut, wenn ein OB landespolitische und bundespolitische Erfahrungen hat und die Akteure beim Bund und beim Land kennt, die dafür zuständig sind. Ein Staatsvertrag wäre eine denkbare Lösung. Vernünftig wäre auch, bei einigen Ministerien zu überlegen, ob es alles ministerielle Aufgaben sind, die dort erledigt werden. So wie es das Justizministerium vorgemacht hat. Jetzt haben wir das Bundesamt für Justiz fest in Bonn. Das gilt aber nicht für Ministerien, die für die UN-Stadt Bonn und damit die UN-Institutionen wichtig sind: das Bildungs- und Forschungsministerium oder das Entwicklungsministerium. Sie sind der erste Ansprechpartner der UN.

Wie bewerten Sie die Vorgänge um das WCCB?
Ruhenstroth-Bauer: Da haben sich alle Akteure nicht mit Ruhm bekleckert. Die Verwaltung nicht. Auch nicht der Rat und auch die Öffentlichkeit nicht. 2005 hat auch der General-Anzeiger gesagt, das WCCB sei eine tolle Chance.

Weil er aus der Stadtverwaltung bewusst irreführend informiert worden ist...
Ruhenstroth-Bauer: Die Stimmung vor zehn Jahren war doch durchweg positiv. Ich finde, es müssen sich alle, die in der Geschichte eine Rolle gespielt haben, mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Aber fest steht: Wir brauchen das Kongresszentrum. Deshalb ist es toll, dass es dieses Jahr endlich eröffnet wird. Und in fünf Jahren wird es heißen: Es ist ein wichtiger Diamant am Armband der Zukunft der Stadt Bonn.

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