Uniklinik Bonn Pia wog bei ihrer Geburt nur 370 Gramm - wie geht es ihr heute?

Bonn · Vor drei Jahren kam die kleine Pia in der Bonner Uniklinik zur Welt - 16 Wochen zu früh. Dass das Mädchen heute fröhlich über den Spielplatz rennt, sei ein „Wunder“, sagt ihre Mutter Nadine Euenheim-Stüsser.

Pia reitet gerne auf Pferden oder Spielgeräten wie hier an der Uniklinik Bonn mit ihrer Mutter Nadine Euenheim-Stüsser.

Pia reitet gerne auf Pferden oder Spielgeräten wie hier an der Uniklinik Bonn mit ihrer Mutter Nadine Euenheim-Stüsser.

Foto: Meike Böschemeyer

Rauf auf den Hüpfkäfer und wieder hinunter, zur Schaukel, zurück in Mamas Arm und zwischendurch schnell noch einen Keks in den Mund gesteckt: Pia ist ein echter Wirbelwind. Sie strahlt über das ganze Gesicht, redet wie ein Wasserfall und erkundet fröhlich ihre Welt. „Es ist wirklich ein Wunder“, sagt Nadine Euenheim-Stüsser und strahlt eine grenzenlos dankbare Ruhe aus. Ohne diese Tugend hätte die junge Mutter die vergangenen Jahre wahrscheinlich nicht überstanden. Denn Tochter Pia kam vor drei Jahren als extrem kleines Frühchen in der Bonner Uniklinik zur Welt. Gerade einmal 370 Gramm wog sie bei der Geburt und war nur unglaubliche 27 Zentimeter groß.

„Natürlich war es stressig. Ich hatte sehr viel Angst und habe oft, sehr oft geweint. Aber wenn ich Pia so fröhlich sehe, werde ich für die schwere Zeit, die hinter uns liegt, entschädigt“, sagt ihre 35-jährige Mutter. Monatelang wurde die kleine Pia auf dem Venusberg intensivmedizinisch behandelt, mehrmals operiert, künstlich beatmet und ernährt, bis ihre Eltern sie nach sieben Monaten endlich nach Hause holen konnten. „Bei ihrer Geburt war Pia nur eine Handvoll Mensch“, erzählt Euenheim-Stüsser.

Pias Leben war bereits lange vor ihrer Geburt ein einziger Kampf. Nach einer künstlichen Befruchtung hatte sich nur eine einzige Eizelle entwickelt. „Bei den Schwangerschaftsuntersuchungen stellte man zwar fest, dass das Kind sehr klein ist, Sorgen habe ich mir aber nicht gemacht“, erinnert sich die Odendorferin. Das sollte sich am 25. April 2019 allerdings schlagartig ändern. Im Ultraschall stellten die Ärzte fest, dass das Kind nicht ausreichend über die Nabelschnur versorgt wurde. Sofort wurde ein Notkaiserschnitt durchgeführt. Während Pia eigentlich erst am 9. August 2019 zur Welt kommen sollte, wurde sie 16 Wochen vorher geholt.

Anstatt in Mamas Arme ging es auf die Neugeborenen-Intensivstation. Die Beatmung wurde angeschlossen und viele Zugänge gelegt. „Von Anfang an hatte ich aber das Gefühl, in guten Händen zu sein. Das ganze Team hat uns Vertrauen gegeben“, sagt die 35-Jährige, obwohl ihr die Ärzte stets die Wahrheit gesagt hätten. „Sie haben immer mit offenen Karten gespielt. Wir wussten, dass wir jederzeit mit tiefgreifenden Komplikationen oder einer Behinderung rechnen mussten.“

Elf Operationen musste Pia bisher überstehen

Woher sie die Kraft nahm, um die Monate voller Angst, Sorge und Ungewissheit zu überstehen, weiß Pias Mutter nicht. Hiobsbotschaften gab es schließlich genug: Pias Darm war bereits wenige Tage nach der Geburt geplatzt, sie hatte diverse Knochenbrüche und Hirnblutungen. Bisher hat das Mädchen bereits elf Operationen überstanden und im Herbst steht erneut ein Eingriff an. Neben Krankengymnastik und Physiotherapie ging es auch zum Logopäden. Aufgrund der künstlichen Ernährung musste die Kleine das Schlucken mühsam lernen. Aber: „Pia ist gesund und es sind keine Folgeschäden geblieben. Das ist das Wichtigste“, sagt Euenheim-Stüsser.

Pia ahnt nichts von den Sorgen, die man sich in den vergangenen drei Jahren um sie gemacht hat. Sie plappert und plappert, strahlt alle an und lässt sich ihre gute Laune auch bei diesem Kontrollbesuch in der Uniklinik nicht nehmen. Zwar ist sie immer noch wesentlich kleiner und zierlicher als andere Dreijährige, doch „sie ist rundum gesund“, sagt ihre Mutter. Ihre große Dankbarkeit zeigt die 35-Jährige, indem sie jedes Jahr zum Geburtstag ihrer Tochter im April in der Klinik einen Kuchen vorbeibringt.

 „Ich bin ein kleiner Kämpfer“, steht auf dem Body, der Frühchen Pia zudeckt. Das Kind wurde monatelang in der Bonner Uniklinik behandelt.

„Ich bin ein kleiner Kämpfer“, steht auf dem Body, der Frühchen Pia zudeckt. Das Kind wurde monatelang in der Bonner Uniklinik behandelt.

Foto: privat

Neben den medizinischen Problemen gab es für die Familie auch ganz alltägliche Hürden. Denn als Pia am 21. November 2019 endlich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war sie gerade einmal zweieinhalb Kilo schwer und 31 Zentimeter groß. Selbst in gut sortierten Bekleidungsgeschäften gibt es für so kleine Babys nichts Passendes. „Aber in Amerika“, weiß Euenheim-Stüsser mittlerweile. Im Internet fand sie schließlich passende Bodys und Strampler.

Das große Kämpferherz „klein Pia“ hat der Familie einen anderen Blick aufs Leben gegeben. „Wir sind dankbarer und gelassener“, sagt die 35-Jährige. So konnte sie auch einen weiteren Schicksalsschlag im vergangenen Jahr überwinden, als die Familie durch die verheerende Flutkatastrophe ihr Zuhause in Odendorf verlor. Seit ein paar Wochen lebt sie in einer neuen Wohnung. Und nach den Ferien beginnt für die Kleine ein neuer, aufregender Lebensabschnitt. „Ich gehe in den Kindergarten“, erzählt Pia strahlend. Aber ihre engsten Freunde wird sie dort nicht vergessen. „Die Pferde“, verrät sie. Im Stall der Familie stehen 14 Pferde, die regelmäßig zu Therapiezwecken eingesetzt werden.

Der lange Kampf so extrem kleiner Frühchen geht an den Mitarbeitern der Uniklinik nicht spurlos vorbei. „Da wir diese Kinder über einen langen Zeitraum betreuen und begleiten, entsteht eine intensivere Beziehung zu den Familien“, sagt Till Dresbach, Geschäftsführender Oberarzt der Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin. Auch wenn ein viel zu früher Start ins Leben nicht immer ohne Schäden bleibt. „Natürlich gibt es auch traurige Momente“, sagt Dresbach. „Aber wir freuen uns immer, wenn wir sehen, wie gut sich die Kinder entwickelt haben.“ So wie bei Pia. Sie winkt zum Abschied und spurtet noch einmal zum Hüpfkäfer, bevor es zur Kontrolluntersuchung ins Klinikgebäude geht. Von Angst keine Spur.

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