Podiumsdiskussion zum Warnschussarrest "Populistische Maßnahme der Politik"

BONN · Der "Warnschussarrest" für jugendliche Straftäter wird von Bonner Experten skeptisch gesehen. "Das ist eine populistische Maßnahme der Politik", sagte Jugendstrafrichter Volker Kunkel während einer Podiumsdiskussion, zu der die Junge Union ins "Lotte-Lemke-Haus" in Tannenbusch eingeladen hatte.

Die Mehrzahl der Angeklagten, für die dieses 2013 eingeführte Instrument anwendbar sei, habe früher schon im Jugendarrest gesessen. "Die haben ihren Warnschuss längst hinter sich", so Kunkel, der Vorsitzender der 8. Strafkammer am Bonner Landgericht ist.

Der Warnschussarrest geht auf die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung zurück: Zusätzlich zu einer Jugendhaftstrafe auf Bewährung können Angeklagte, die zwischen 14 und 17 Jahre alt sind, bis zu vier Wochen lang im Jugendarrest eingesperrt werden. Die Idee dahinter: Sie sollen trotz Bewährung nicht den Eindruck haben, billig davon zu kommen. Aber auch Professor Torsten Verrel hat Zweifel an der Wirksamkeit.

"Der langfristige Effekt des Jugendarrests wird möglicherweise überschätzt", meinte der Direktor des Kriminologischen Seminars an der Universität Bonn in der Diskussion. "Bisher sind die Rückfallquoten nach dem Arrest hoch." Das gelte auch für Täter, die in Jugendhaft gesessen haben.

Weil im Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehe, sei es richtig, nicht zu schnell Haftstrafen ohne Bewährung zu verhängen, betonte Verrel. Die oft erhobene Forderung, Strafen müssten so schnell wie möglich nach der Tat erfolgen, beurteilt der Kriminologe kritisch. Es gebe keinerlei Belege dafür, dass ein schnelleres Urteil eine bessere Wirkung erziele.

Wiederholungstäter schnell und hart zu bestrafen - davon hält auch Richard Hetzenegger nichts. "Wenn Härte helfen würde, dürften ja nur wenige Täter aus restriktiv strafenden Elternhäusern kommen", gab der Sozialarbeiter vom Verein "Sprungbrett" zu bedenken. Es sei aber genau umgekehrt. Der Verein arbeitet mit der Jugendgerichtshilfe zusammen und veranstaltet zum Beispiel Anti-Gewalt-Kurse.

Richter Kunkel räumte mit Klischees auf. Wiederholungstäter seien vor seiner Strafkammer eher die Ausnahme. Polizei und Staatsanwaltschaft warf er zudem vor, leichtfertig von Bandenkriminalität zu sprechen. Die Angeklagten aus den beiden Jugendgruppen, die zuletzt in Beuel und Bad Godesberg mit Raub und Körperverletzungen Unruhe gestiftet hatten, seien in keinem Fall wegen Bandenkriminalität verurteilt worden.

Zwar hätten die Täter aus den Gruppen heraus agiert, aber nicht nach bandentypischen Absprachen und Regeln, etwa zur Aufteilung der Beute. Kritisch sieht der Richter, dass die für Bandenkriminalität zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft die Fälle an sich gezogen habe. Kunkel: "Da herrscht eine gewisse Rivalität mit den Staatsanwälten, die Jugendkriminalität bearbeiten."

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