Schließung von Stadtteilbibliotheken Pro Stadtbezirk nur noch eine Bibliothek?

BONN · Es war eigentlich von Anfang an klar: Wenn das neue Haus der Bildung am Bottlerplatz fertiggestellt ist und Ostern nächsten Jahres mit Zentralbibliothek und Volkshochschule unter einem Dach eröffnet wird, ist die Schließung von Stadtteilbibliotheken nur noch eine Frage der Zeit.

Jetzt ist es anscheinend soweit. Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) und Stadtkämmerer Ludger Sander (CDU) wollen vier Zweigstellen schließen. Allerdings hat das letzte Wort die Politik. Doch noch halten sich die Fraktionen zur Frage, wie sie sich entscheiden werden, bedeckt. Der General-Anzeiger hat mit Kulturdezernent Martin Schumacher und Bibliothekschefin Gabriele Belloff über die Zukunft der städtischen Bibliotheken gesprochen.

Warum brauchen die Bürger das Haus der Bildung, und was hat es gekostet?

In dem Neubau und renovierten Alten Stadthaus am Bottlerplatz werden mit der Zentralbibliothek und der Volkshochschule zwei wichtige Kultur- und Bildungseinrichtungen vereint, die größtenteils die gleiche Zielgruppe haben. Auch das Büro des Literaturhauses Bonn soll im Haus der Bildung künftig beheimatet sein. Schumacher meint, dass das Haus der Bildung die Innenstadt belebe und die urbane Qualität stärke. Zudem ist es für alle Bürger zentral gelegen und damit gut erreichbar. Die Kosten von 21,4 Millionen Euro trägt fast zur Hälfte das Land NRW.

Was ändert sich mit dem Haus der Bildung?

Die Eckpunkte sind unter anderem eine durchgehende und längere Öffnungszeit in der Woche inklusive Samstag. Das Haus wird keine reine Ausleihstation mehr sein, sondern eine moderne Bildungseinrichtung auf dem neuesten technischen Stand und ein Treffpunkt für alle Bürger. So soll es im Erdgeschoss ein Café für Besucher der Bibliothek und Volkshochschule geben. Die Ausleihzahlen will Belloff von bisher rund 770.000 Medieneinheiten im Jahr (Stand 2011, also vor dem Umzug ins Provisorium in der Cassiusbastei) um 20 Prozent bis auf 900.000 steigern.

Wie viele Zweigstellen gibt es, wie sind dort die Ausleihzahlen und wie hoch ist das Gesamtbudget der Bücherei?

Neben der Zentralbibliothek unterhält die Stadt neun Zweigstellen inklusive der Musikbibliothek im Schumannhaus in Endenich. Die Ausleihzahlen pro Jahr betragen insgesamt 1,8 Millionen Medieneinheiten (Stand 2011) bei 320 000 Medieneinheiten Bestand. Der Zuschussbedarf aller Bibliotheken inklusive Zentralbibliothek liegt derzeit bei 3,471 Millionen Euro im Jahr.

Was bringt die Schließung von Zweigstellen für die Stadtkasse?

Vorgeschlagen zur Schließung sind die Stadtteilbibliotheken in Endenich, Graurheindorf, Dottendorf und die Bezirksbibliothek im Beueler Brückenforum. Unterm Strich rechnet die Verwaltung mit einem Sparvolumen von 444 791 Euro pro Jahr. In dieser Summe enthalten sind Sachkosten sowie die Kosten für 9,5 künftig einzusparende Stellen. Davon sollen 4,5 Stellen in die Zentralbibliothek verlagert werden. Die restlichen Stellen werden sukzessive abgebaut, wobei Kündigungen ausgeschlossen werden.

Und wie sieht die Zukunft der restlichen Zweigstellen aus?

Ziel ist es, pro Stadtbezirk eine Zweigstelle zu erhalten. Nicht angetastet werden demnach die Bezirksbibliothek in Bad Godesberg, die Bibliothek auf dem Brüser Berg und die in Beuel-Ost, die in der Gesamtschule untergebracht ist. Aus sozialräumlichen Gründen bleibt die Stadtbibliothek in Tannenbusch erhalten. Ebenso erhalten wird die städtische Musikbibliothek im Schumannhaus.

Der neue Mietvertrag für die Graurheindorfer Bibliothek, die in die Auerberger Mitte umziehen sollte, ist aber bereits unter Dach und Fach. . .

Die Stadt steht zurzeit in Verhandlung mit dem Vermieter zwecks Rückabwicklung des Vertrags. Ein Ergebnis steht noch aus.

Wer entscheidet über die Schließungen, und wann treten sie in Kraft?

Die Entscheidung trifft der Bonner Stadtrat. Eine entsprechende Vorlage soll am Dienstag, 25. November, eingebracht werden. Sobald der Rat sich dafür ausgesprochen hat, greift die Schließung, weil zur Vorbereitung der Eröffnung des Hauses der Bildung zusätzliche Mitarbeiter benötigt werden, bereits ab dem 1. März 2015.

Was passiert mit den Gebäuden der zur Schließung vorgeschlagenen Bibliotheken?

In Graurheindorf ist die Bibliothek in einem Teil des Heinrich-Hertz-Berufskollegs untergebracht, so dass die Räume wieder der Schule zur Verfügung gestellt werden können. In den anderen drei Fällen ist die Nutzungsfrage der Gebäude noch ungeklärt.

Die Fördervereine der Bibliotheken sehen ihr Engagement mit Füßen getreten. Wie geht die Stadt mit dem Vorwurf um?

Die Stadt schätze das bisherige Engagement der Fördervereine sehr, sagt Schumacher, der es selbst sehr bedauert, dass die Erwartungen der Bürger an dieser Stelle so enttäuscht werden müssen. "Die Schließung fällt auch mir nicht leicht", sagt der Beigeordnete, sieht aber vor dem Hintergrund des Konsolidierungszwangs der Stadt Bonn keine andere Möglichkeit.

Wie sieht für die Stadtverwaltung die Bibliothekslandschaft in Bonn in Zukunft aus?

Wünschenswert ist für Schumacher und Belloff, dass in jedem der vier Stadtbezirke Bonns in Zukunft mindestens eine Zweigstelle geöffnet bleibt und die Bibliotheken stärker an die Schulen, vor allem an Grundschulen, angebunden werden, um sie dort beim Aufbau und Betrieb eigener Schulbibliotheken zu beraten und zu begleiten. "Die Grundschulen können so auch zu richtigen Treffpunkten für die Familien werden", meint Schumacher. Das trage dem grundsätzlich richtigen Prinzip "Kurze Wege für kurze Beine" auch Rechnung.

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