Ägyptologe der Universität Bonn Professor Ludwig Morenz erforscht die Archäologie des Humors

BONN · Der Humor kommt nicht aus der Mode: Die Menschen im alten Ägypten lachten schon vor Jahrtausenden über Dinge, die wir auch heute noch komisch finden: Schadenfreude, groteske Übertreibungen und verdrehte Welten.

 Ein Kenner der alten Ägypter: Professor Ludwig Morenz mit seinem Buch.

Ein Kenner der alten Ägypter: Professor Ludwig Morenz mit seinem Buch.

Foto: Lannert

Auf Reliefs, Papyri oder Tonscherben ist vor allem der Oberschichtenhumor überliefert. Professor Ludwig Morenz von der Universität Bonn gibt in seinem Buch "Kleine Archäologie des ägyptischen Humors" einen Überblick.

Von den Altägyptern sind vor allem Pyramiden, Mumien und Grabbeigaben bekannt. "Wegen des Totenkults wirkt diese Kultur auf den ersten Blick sehr ernst", sagt Morenz von der Abteilung für Ägyptologie der Uni. Doch bei genauerer Betrachtung findet man auch in diesem scheinbar sehr jenseitsorientierten Reich zahlreiche Belege für Humor.

Für Morenz ist das ein interessanter Forschungsansatz: "Über was haben die Menschen in Ägypten vor etwa 5000 Jahren bis hinein in die Römerzeit gelacht? Aus den Antworten erfahren wir auch viel Alltägliches darüber, was die Menschen im Pharaonenreich bewegte."

Bei den überlieferten Belegen wird ein sehr subtiler Humor deutlich, der heutige Zeitgenossen nicht dazu bringt, lauthals herauszulachen. Die Komik in Inschriften und Bildnissen der Reliefs, Papyri oder Tonscherben erschließt sich aber teilweise heute noch auf Anhieb: Schadenfreude, groteske Übertreibungen und verdrehte Welten. "Die Altägypter haben gerne ihre Feinde verspottet", führt Morenz ein Beispiel an.

So zeigt eine Tonscherbe einen mit erhobenen Händen vor Katze und Maus um Gnade flehenden Nubier. Witziges baute schon vor Jahrtausenden auf Übertreibungen: In dem Text "Lehre des Chety" wird der Schreiberberuf schwarzhumorig übersteigert, indem viele andere Berufe massiv abgewertet werden, zum Beispiel der Töpfer: "Er wühlt sich in dem Sumpf mehr als Schweine, um seine Töpfe zu brennen. Sein Kleid ist steif von Lehm, sein Gürtel ist ein Stofffetzen." So wenig die Schreiber an den anderen Berufen ein gutes Haar ließen, umso besser schneidet in ihren Ausführungen die eigene Zunft ab.

Etwas Vorwissen ist erforderlich, um einen "Cartoon" zu verstehen, auf dem ein Vogel auf einer Leiter und ein großes Nilpferd im Feigenbaum abgebildet sind. "Aus den Tierhieroglyphen wissen wir, dass das Nilpferd im Sinne von 'das Schwere' verwendet wurde", erläutert Morenz. "Die Illustration zielt auf die verkehrte Welt: Der leichte Vogel erklimmt mit ausgebreiteten Schwingen mühsam die Leiter, während das schwere Nilpferd die Früchte sammelt."

Der Ägyptologe ordnet solche Darstellungen als "karnevalesk" ein. Freilich gab es damals noch keinen Karneval in der heutigen Form, doch sei bereits im alten Ägypten eine Neigung erkennbar, die Herrschaft durch karnevaleske Umkehr des Alltags in Frage zu stellen. Selbst die Religion blieb nicht verschont, wie als Priester und Götter verkleidete Mäuse zeigen.

Der Wissenschaftler der Uni Bonn kommt zu dem Schluss, dass die Menschen im Altertum wahrscheinlich genauso häufig und lebhaft lachten wie heute. Die überlieferten Belege zeigen jedoch nur einen kleinen Ausschnitt. Witze werden meist mündlich überliefert und finden in keiner Hieroglyphe ihren Niederschlag.

"Was wir heute sehen, ist vorrangig Oberschicht-Humor", sagt Morenz. Denn nur gut Betuchte hatten die Mittel, ihren Sinn für Komik in Stein zu verewigen. Vermutlich erfüllte der Humor vor Jahrtausenden bereits die gleiche Funktion wie heute: Er fungierte als "gesellschaftlicher Kitt".

Info

Ludwig D. Morenz, Kleine Archäologie des ägyptischen Humors. Ein kulturgeschichtlicher Testschnitt. Bonner Ägyptologische Beiträge, 250 Seiten, ISBN: 978-3-86893-124-2, 22,80 Euro.

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