Internetangriff auf einen russischen Oppositionellen Prozess gegen Bonner Hacker "Hell" beginnt

BONN · Für einen Prozess vor dem Amtsgericht herrschten am Mittwoch ungewöhnlich strenge Sicherheitsmaßnahmen. Der Grund: Bei dem 41 Jahre alten Angeklagten handelt es sich offenbar um einen vor allem in Russland bekannten Hacker, der im Internet unter dem vielsagenden Namen "Hell" auftritt und den russischen Blogger und Oppositionellen Alexei Nawalny ausspioniert haben soll.

Um von vorneherein jeglichem Ärger vorzubeugen, mussten die Prozessbeobachter, darunter vor allem russischsprechende Medienvertreter und Zuhörer, eine zweite Sicherheitsschleuse passieren. Alle elektronischen Geräte wie Smartphones und Tablets mussten vor dem Saal abgegeben werden.

In drei Fällen Daten ausgespäht

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte immer wieder Email- und Blog-Accounts hackt, wenn ihm die Inhalte nicht passen. Im vorliegenden Prozess werden dem 41-Jährigen drei Fälle des Ausspähens von Daten vorgeworfen. In zwei Fällen davon soll er auch Daten gelöscht haben, so dass ihm zusätzlich eine "Datenveränderung" zur Last gelegt wird. Bei einer Verurteilung muss er mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen.

Vor dem Schöffengericht schwieg der Angeklagte erst einmal. Weder zu seinem Lebenslauf noch zu den Vorwürfen wollte er sich gestern äußern. Sein Anwalt Hans Hassel bezeichnete den Hintergrund des Verfahrens als "Internetkrieg", "wie wir es in Deutschland nicht kennen". Dieser sei geprägt von "kriminellen Zügen" und werde mit "harten Bandagen geführt", so der Verteidiger. Laut Anklage verschaffte sich der Bonner 2011 Zugang zu den Email-Accounts von Alexei Nawalny und dessen Frau. Sensible Daten scheinen anschließend im Internet veröffentlicht worden zu sein.

Keine Ausreisegenehmigung

Beim Twitter-Account des Oppositionellen soll sich der Hacker im Juni 2012 Zugang verschafft und dann auch Daten gelöscht haben. An dem Prozess wollte Nawalny offenbar gerne selbst teilnehmen - das Gericht muss anscheinend jedoch ohne ihn auskommen. Laut seinem Anwalt wurde ihm die beantragte Ausreise nicht genehmigt. Daher ging es am ersten Verhandlungstag nur um eine weitere Cyberattacke aus dem Jahr 2007. Damals soll der Hacker sich auf kriminellen Wegen Zugang zum Account eines in München lebenden Mannes verschafft haben, der einen russischen Blog betreibt.

Laut Anklage nutzte der Bonner einen mehrtägigen Auslandsaufenthalt des Zeugen, um sich beim E-Mail-Dienst mit einer gefälschten Kopie des Reisepasses das Passwort zu besorgen. Den Inhalt des Blogs soll der Angeklagte dann komplett gelöscht haben. Auf einem Rechner des 41-Jährigen fanden die Ermittler offenbar belastendes Material. Der Prozess wird fortgesetzt.

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