Entführung aus Belgien Vergewaltigungsopfer sagt im Bonner Prozess aus

Bonn · Ein 37-Jähriger soll eine 18-Jährige aus Belgien nach Bad Godesberg verschleppt und dort vergewaltigt haben soll. Am Freitag hat die junge Frau im Prozess ausgesagt und von einer zweiten Vergewaltigung berichtet.

 Vor dem Bonner Landgericht wird die mögliche Verschleppung und Vergewaltigung einer jungen Frau verhandelt. (Symbolfoto)

Vor dem Bonner Landgericht wird die mögliche Verschleppung und Vergewaltigung einer jungen Frau verhandelt. (Symbolfoto)

Foto: Benjamin Westhoff

Am frühen Freitagmorgen hat vor der 1. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht der zweite Verhandlungstag im Verfahren um die mögliche Verschleppung und Vergewaltigung einer damals 18-jährigen Frau aus einem belgischen Flüchtlingsheim begonnen. Weil es an vielen Ecken hakt, hatte der Vorsitzende Richter Jens Rausch den Verhandlungsbeginn vorverlegt, um die zur Verfügung stehende Zeit so gut wie möglich auszunutzen.

Dem Angeklagten, einem 37-jährigen Syrer, der in Belgien und Bulgarien lebt, wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, die junge Palästinenserin Mitte Oktober 2020 nach Bonn entführt und hier in einer eigens angemieteten Wohnung zweimal vergewaltigt zu haben. Nachdem sie ihre Familie in Belgien per Handy von dem Verbrechen unterrichtet hatte, wurde die junge Frau am 19. Oktober von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei in Godesberg befreit.

Vor Gericht würdigten sich der Angeklagte mit dem auffälligen Pistolentattoo am Kopf und das mutmaßliche Opfer keines Blickes: Nachdem die Frau zum Prozessauftakt am Mittwoch zunächst nur Auskunft über ihren familiären Hintergrund und die Flucht aus Palästina nach Belgien gegeben hatte, ging es nun direkt in medias res: Der Vergewaltigung sei nämlich eine weitere vorausgegangen, sagte die Frau aus. Im Sommer 2020 habe der Angeklagte die Zentralverriegelung seines Wagens betätigt, sei zu ihr auf die Beifahrerseite gewechselt und habe sich dort an ihr vergangen. Ins Detail mochte sie aber angesichts von Presse und Zuschauern nicht gehen, brach vielmehr nach den einfühlsam formulierten notwendigen Nachfragen des Vorsitzenden Richters in Tränen aus.

Der schloss darauf die Öffentlichkeit von der weiteren Vernehmung der Zeugin aus. Bereits zuvor hatte sie erzählt, wie sie den mutmaßlichen Täter nach ihrer Flucht aus dem Gazastreifen kennengelernt hatte: Gemeinsam mit ihrer Mutter sei sie zunächst mit dem Flugzeug in die Türkei gereist. Von dort sei es dann mit einem Boot auf eine griechische Insel gegangen. In der EU angekommen, habe ihr bereits in Belgien lebender Bruder sie zu sich in den Raum Brüssel geholt. Der bewohnte dort offenbar bereits seit Längerem eine Wohnung mit dem nun Angeklagten.

Welche Rolle der Angeklagte bei der Reise aus dem Nahen Osten nach Flandern gespielt haben könnte, bleibt zunächst noch unklar. Fragen nach einer möglichen Schleusertätigkeit des Mannes stehen aber im Raum: So wurde der Mann bei einer Kontrolle ohne Führerschein am Steuer eines Wagens erwischt, der nach Polizeierkenntnissen bereits für illegale Einreisen genutzt worden sein soll.

Nach Treffen in Anwesenheit der Familie wurde offenbar zügig entschieden, dass der Angeklagte und das mutmaßliche Opfer mit einer islamisch-religiösen Zeremonie heiraten sollten. Dass der 37-Jährige in seiner eigentlichen Wahlheimat Bulgarien bereits eine andere Ehefrau hat, spielte da offenbar keine große Rolle. Vielmehr soll die junge Palästinenserin nach der Zeremonie mit der bulgarischen Ehefrau gechattet und ihr gegenüber mit ihrer Jugend geprahlt haben.

Das sagte allerdings nicht die junge Frau selbst aus, vielmehr stammten die Informationen aus Chatprotokollen, die der Anwalt des Angeklagten dem Gericht zur Verfügung gestellt hatte. Michael Hakner scheint bei seiner Verteidigung auf den Nachweis hinzuarbeiten, dass das Opfer oder dessen Familie die Entführung aus finanziellen Erwägungen heraus möglicherweise nur vorgetäuscht haben könnten. In einer Art Ehevertrag ist offenbar festgelegt, dass der Angeklagte im Falle eins Scheiterns der Ehe 20.000 Euro an seine Frau zu zahlen habe.

Die Bonner Staatsanwaltschaft hatte erst in letzter Minute, kurz vor Ablauf der maximal sechs Monate lang möglichen Untersuchungshaft, Anklage erhoben. Offenbar waren die Ankläger bis zuletzt davon ausgegangen, dass der Mann vor der Eröffnung des Verfahrens nach Belgien ausgeliefert würde. Es besteht nämlich ein europäischer Haftbefehl. Über das Auslieferungsgesuch der belgischen Behörden sei aber noch nicht abschließend entschieden, sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft in Köln dem GA auf Nachfrage. Grundsätzlich stehe immer das Interesse der deutschen Behörden an einer Strafverfolgung vor einer möglichen Auslieferung des Verfolgten.

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