Gastronomie in Bonn Rainer Maria Halbedel ist seit 34 Jahren Sternekoch
BONN · Unverändert leuchtet sein Stern seit vielen Jahren. Sozusagen ein Fixstern, auch wenn er zugegebenermaßen einmal seine Position verändert hat. Der Guide Michelin zeichnet Rainer Maria Halbedel seit 34 Jahren mit einem Stern aus – ohne Unterbrechung.
Zunächst zierte er die Lannesdorfer Korkeiche, wo sich Rainer Maria Halbedel die Michelin-Auszeichnung 1984 erstmals erkocht hat. Drei Jahre später wanderte er nach Nordosten über die Bad Godesberger Rheinallee. Dort glänzt er seitdem über der gelben, stuckverzierten Villa mit dem Namen „Halbedel's Gasthaus“ im schmiedeeisernen Schild. Unverrückbar. Und der Mann am Herd untermauert seine Ausnahmestellung seit 34 Jahren mit konstanten Spitzenleistungen am Herd. Eine Ausnahme, wie der Michelin bestätigt.
Wer an der Tür der Villa klingelt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, in einem Privathaus zu Besuch zu sein. Kieselsteine und Äpfel zieren den Sims neben der Tür, Kerzen flackern in Windlichtern. Und die Nase nimmt unweigerlich Witterung auf. Fein riecht es, appetitanregend. Rechts von der Eingangstür geht es in die Küche. Auch die könnte von der Größe her beinahe als Privatküche durchgehen, wäre nicht die Zahl der Köche. Diese verderben aber keineswegs den Brei, sondern bereiten nach einer für den Neugierigen schwer entschlüsselbaren Choreografie das Personalessen zu.
„Kalbsleber“, lässt der Patron wissen. So was stehe im Restaurant nicht auf der Karte, spiele aber in der Berufsschule durchaus eine Rolle. Auch wenn das, was auf den Tellern der Gäste liegt, ganz anders klingt. Wie ein geschmackvolles Gedicht. Zum Beispiel Ziegenkäsetempura mit Wassermelone, Zitronenmelisse, Avocado. Oder Steinbutt mit Zuckerschoten, Minze, Amalfi-Zitrone. Oder Filet vom Simmentaler Ochsen mit Chili-Vanille-Spitzkohl, Schalotten-Cannelloni.
Zurück nach Bonn ins Chez Loup
Die Ausbildung ist Rainer Maria Halbedel wichtig. Seine eigene hat er im Waldhotel Felsenkeller in Bad Iburg absolviert, bevor er in Berlin Stationen im Hotel Ambassador, den Conti-Fischstuben, dem Palace Hotel im Europa-Center und dem Restaurant Heinz Kardell absolvierte. Nach der Meisterprüfung 1976 kam er als Küchenchef im Chez Loup zurück nach Bonn, wo er sich später mit der Korkeiche in Lannesdorf selbstständig machte, in der seine Frau Irmgard den Service übernahm. Ein Schritt zum Erfolg, der ihm den Stern einbrachte.
„Damals gab es 98 besternte Restaurants in Deutschland“, erinnert sich Halbedel an die guten alten Zeiten in der Korkeiche. 2018 sind es erstmals mehr als 300, womit Deutschland hinter Frankreich Platz zwei in der kulinarischen Weltrangliste belegt. „Inflationär“ findet Halbedel das. „Das geht heute für viele viel zu schnell.“ Es sei eben leichter, einen Stern zu bekommen, als ihn zu halten. Was für Halbedel nicht allein mit Qualität am Herd zu tun hat. „Viele können nicht rechnen“, sagt er mit Blick auf das nicht immer lukrative Geschäft Spitzengastronomie. Aber auch mit Blick auf die Kondition, die es erfordert, jahrelang am Herd zu stehen. „Man muss viel überlegen, viel ausprobieren. Man muss den Beruf leben.“
Das hat Halbedel, eines von ursprünglich sieben Geschwistern, von Anfang an getan. „Ich wollte Koch werden wie andere Kinder Lokomotivführer oder Schornsteinfeger“, erinnert er sich. Und so lernte er als einziger unter den Geschwistern „einen richtigen Beruf“, während die anderen studierten und allenfalls hobbymäßig an den Herd fanden.
Gemüse-Raritäten stammen aus der Eifel
„Zwei meiner Brüder kochen gerne“, erzählt Halbedel und wechselt zu seinem Nebenjob als Bauer. Mit seiner Frau bewirtschaftet er den Bauernhof ihrer Eltern, nutzt den 10.000 Quadratmeter großen Gemüsegarten, um die Viktualien fürs Godesberger Restaurant zu ziehen.
Portulak, blaufleischiger Rettich aus japanischen Samen – viele Raritäten, die im Gasthaus auf dem Teller liegen, stammen aus der Eifel. „Alles, was einem die Landwirtschaft standhaft verweigert“, klagt der Küchenchef darüber, dass nicht alle seine Wünsche nach ausgefallenen und hochwertigen Gemüsen von den Erzeugern erfüllt werden.
Selbst ist der Mann, dessen Schwiegervater anfangs enttäuscht war, dass die Tochter nicht den ersehnten Bauern mit nach Hause brachte. Was ihn nicht hindert, heute Laufenten Schnecken und anderes Ungeziefer vertilgen zu lassen und nebenher eine kleine Menagerie aus Schafen und einem Esel zu beherbergen. Das Pendeln zwischen der Eifel und dem Restaurantbetrieb lässt ihm und seiner Frau wenig Freizeit. „Aber die nutzen wir intensiv“, sagt Halbedel, der seinen klangvollen Nachnamen angeheiratet hat. Bei seiner Geburt am 15. Dezember 1948 in Steinfeld hieß er Ruhnke.
Mit dem Auto auf kulinarische Erkundungstour
Also packt er schon mal an montäglichen Restaurantruhetagen seine Irmgard ins Auto und startet mit ihr zu einer kulinarischen Erkundungstour. Er fährt mit ihr zum Beispiel nach Maastricht, „um es sich gutgehen zu lassen“. Ohnehin spielt sich nach Halbedels Ansicht in den Restaurantküchen der Beneluxländer gerade Spannendes ab. Allenfalls übertroffen von Paris, der gemeinsamen Lieblingsstadt des Gastronomenpaares. „Da fahren wir seit über 30 Jahren über Karneval hin“, sagt Halbedel. Denn für ihn steht fest: Die knappe Freizeit will intensiv genutzt werden.
Natürlich auch in den Betriebsferien, in denen die Halbedels schon mal 6000 Kilometer abspulen auf der Spur des guten Geschmacks. Auch um den eigenen kulinarischen Horizont zu erweitern. In Bezug auf die Küche, aber auch auf den Keller. „Eines meiner Hobbys ist der Wein“, sagt der Koch, der nach eigener Beschreibung selbstbewusst in der Küche zu Werke geht. Dass er sein Wissen und seine Erfahrung gerne weitergibt, davon zeugt eine ganze Reihe von Köchen, die er ausgebildet hat.
Sein Erfolgsrezept, da ist Halbedel überzeugt, ist und bleibt seine Begeisterung. Und die teilen er und seine Frau mit ihrem Team und mit ihren Gästen. Kein Wunder, dass viele von ihnen schon über Generationen kommen. Und immer wieder Neues erleben, wenn auch in altbewährter Qualität und mit Charme serviert.