Jazzfest Bonn Raus aus dem Schatten

Bonn · Geboren 1962 in den USA, prägte das wilde Musikerleben ihrer Mutter, der Soullegende und Bürgerrechtlerin Nina Simone, die Kindheit und Jugend von Lisa Simone.

 Lisa Simone

Lisa Simone

Foto: Voigtländer

Sie kam kaum an der Musik vorbei, begann ihre Gesangskarriere in Los Angeles und New York dennoch sehr spät. Erst nachdem sie über zehn Jahre der US-Armee diente, unter anderem an der Militärbasis in Frankfurt, wurde aus dem Hobby eine Berufung. Sie ging auf Tournee und feierte Erfolge am Broadway. Seit einigen Jahren komponiert sie selbst. In ihrem zweiten Solo-Album „My World“ singt sie sich nun mit Jazz, Blues, Soul und Funk aus dem großen Schatten, den ihre 2003 verstorbene Mutter hinterließ. Eine wichtige Rolle spielt diese dabei zweifellos noch immer. Wenn sie „I need you here beside me“ aus „If You Knew“ singt, kommen ihr selbst und auch einigen Zuhören die Tränen. In „This Place“ lässt sie uns eintauchen in ihr wahres Zuhause, aber genauso in ihr Seelenleben. „I invite you to close your eyes and enter in my world“ haucht sie in den Raum. Aber es gibt nicht nur diese Balladen, sondern auch das poppigere„Let it all go“. Und so kommt die 53-Jährige im Laufe des Abends immer mehr in Schwung und sorgt mit tief durchdringender Stimme und knallhartem Charme beim zuvor eher träumenden Publikum für rhythmische Explosion. Das Konzert endet gar beschwingt mit Standings Ovations und der höchste Turm der Stadt gerät zumindest gefühlt ins Schwanken. Dafür sorgen auch ihre drei Mitspieler aus der Pariser Jazzszene, die mit Solostücken für den ein oder anderen Moment vergessen lassen, das Simone der Star des Abends ist. Der eiserne Reggie Washington am E- und Kontrabass, der senegalesische Gitarrist und Arrangeur Hervé Samb, in dem einige Jimi Hendrix wiedererkennen wollen, und Sonny Troupé aus Guadeloupe, der mit seinem mehrminütigen Schlagzeugsolo am Drum-Kit den Zuschauern nur noch Staunen ins Gesicht zaubert.

Zuvor beeindruckt das Ramón Valle Trio mit ihren in Trance versetzenden und karibisch mitreißenden Klängen, die zum Tanzen einladen. Der Kubaner Ramón Valle, seit 1997 in Amsterdam, tanzt zumindest sitzend auf seinem Pianostuhl zu den teils improvisierten Stücken mit. Seinen Erzählungen dazwischen scheint leider nicht jeder folgen zu können. Die musikalische Unterhaltung jedoch muss genügen für einen runden Abend im Post Tower. So etwa bei der stimmungsvollen Liebeserklärung an seine fünf Schwestern. Die Harmonie mit seinem Landsmann Liber Torriente, der das Schlagzeug im Dauergrinsen beherrscht, stimmt. Und Bassist Samuel Ruiz aus Venezuela ist der souveräne Pol auf der Bühnenmitte. „Das Gefühl mit den zwei auf der Bühne zu sitzen, ist wie am Steuer eines Mercedes - alles passt“, sagt Valle.

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