Salafisten Razzia im Morgengrauen auch in Bonn

Bonn · Mit Großrazzien sind Polizei und Justiz bundesweit gegen radikal-islamische Salafisten vorgegangen. Beamte durchsuchten am Donnerstagmorgen Wohnungen, Vereinsräume und eine Moschee in Solingen. Insgesamt waren 80 Orte in sieben Bundesländern im Visier der Ermittler - Schwerpunkte waren Hessen und NRW. Auch in Bonn und Köln wurden Objekte durchsucht.

Als der VW-Transporter der Bonner Polizei und mehrere Zivilfahrzeuge der Kripo gestern gegen 6 Uhr in die Albert-Schweitzer-Straße einbogen, lag noch so etwas wie Morgenstille über der Sackgasse in Endenich. Lediglich eine Hundehalterin führte ihren Vierbeiner Gassi. Doch mit der Ruhe war es rasch vorbei. Als der Transporter geparkt hatte, machten sich rund zehn Beamte der Bonner Polizei einsatzbereit. Dazu gehörte auch das Anlegen kugelsicherer Westen.

Außerdem hängten sie sich ihre Maschinenpistolen um, schnallten sich den Schutzhelm an den Gürtel und vermummten ihre Gesichter bis über die Nase. Zusammen mit einer Handvoll Ermittler der Kripo machten sich die Polizisten zielstrebigen Schrittes auf zu dem Mehrfamilienhaus einer unscheinbaren Reihensiedlung. Während die Polizisten die Zugänge zu dem Haus sicherten, verschafften sich die Kripobeamten Zutritt zu einer der Wohnungen. Ob dort Bewohner angetroffen wurden, wollte die Polizei nicht sagen.

Beginn einer etwa zweistündigen Wohnungsdurchsuchung, die gestern auch noch fast zeitgleich an zwei anderen Orten in Bonn stattfand: nicht weit vom ersten Einsatzort entfernt an der Engelbertzstraße in Endenich sowie der Renoisstraße in Poppelsdorf. Hintergrund für die Durchsuchungen war die bundesweite Aktion des Bundesinnenministeriums gegen salafistische Vereine.

Gegen wen sich die Aktion in Bonn konkret richtete, ist noch nicht klar. Ausweislich der Klingelschilder an dem Mehrfamilienhaus an der Albert-Schweitzer-Straße wohnen dort sechs Parteien. Unter anderem auch Mohammed Ben G., der in der islamistischen Szene kein Unbekannter ist. Der Tunesier gilt als eine der "Führungspersonen" unter den Radikalislamisten in Bonn. So taucht der Name etwa in einer Analyse auf, die das Landeskriminalamt als internes Papier vor zwei Jahren vorgelegt hatte. Titel des Papiers: "Auswertungsprojekt Islamistische Szene Bonn".

Darin werden "175 Personen als mögliche Angehörige des islamistisch-terroristischen Personenpotenzials in Bonn" aufgeführt, unter anderem eben auch Mohammed Ben G., der als Hassprediger und geistiger Brandstifter gilt. Laut Bundeskriminalamt (BKA) soll er gewaltbereite Islamisten auf ihre Ausbildung in Afghanistan eingestimmt haben.

Dass sich die Durchsuchung tatsächlich auf die Wohnung von G. konzentrierte, wollte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums gestern nicht bestätigen: "Zu Details der Durchsuchungen, etwa zu Orten und Personen, machen wir keine Angaben." Auch der Anwalt von G. war nicht zu erreichen. Was die Ministeriumssprecherin allerdings sagte: "Bei den Durchsuchungen wurden umfangreiche Asservate sichergestellt."

Wie am Donnerstag vor Ort zu sehen, waren die Ermittler auch in der Wohnung an der Albert-Schweitzer-Straße fündig geworden: Mindestens zwei Computer und mehrere Umzugskartons mit unbekanntem Inhalt nahmen die Beamten unter den Augen einiger neugieriger Passanten mit. Eine Anwohnerin wusste dabei zu berichten, dass in dem von der Durchsuchung betroffenen Haus "viele Besucher ein und ausgegangen" seien. Auch an der Renoisstraße verstauten die Polizisten Kartons mit sichergestelltem Material in ihren Dienstfahrzeugen.

Etwa gegen 8.30 Uhr war die Aktion in Bonn abgeschlossen. Die Polizei hatte mit einer stärkeren Aufmerksamkeit der Szene anlässlich der Durchsuchungen gerechnet. Doch bei keinem der drei Objekte kam es zu Zwischenfällen, sagte der Bonner Polizeisprecher Christoph Schnur.

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