Polizei durchsucht bundesweit Wohnungen Razzien in linker Szene in Bonn nach G20-Krawallen

Bonn · Fünf Monate nach den Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg durchsucht die Sonderkommission „Schwarzer Block“ Wohnungen in acht Bundesländern. In Bonn und Umgebung gab es Razzien in zehn Wohnungen.

Nach den Krawallen beim G20-Gipfel im Sommer in Hamburg hat die Polizei bei bundesweiten Razzien in den frühen Morgenstunden zehn Wohnungen im Raum Köln/Bonn durchsucht, sechs davon in Bonn, drei im Rhein-Sieg-Kreis und eine in Köln. "Wir haben heute in NRW operativ durchgegriffen und verschiedene Objekte der linken Szene durchsucht, um Beweise für diese Ermittlungen zu sichern, teilte NRW-Innenminister Herbert Reul mit. Dabei seien 50 Beamte der NRW-Polizei im Einsatz gewesen.

Auch die Bonner Polizei beteiligte sich an der bundesweiten Razzia. Das bestätigte Polizeisprecher Robert Scholten auf GA-Anfrage. Nach GA-Informationen wurden unter anderem mehrere Objekte in der Bonner Altstadt durchsucht, darunter eine Wohnung in der Wolfstraße. Sichergestellt wurden in Bonn und Umgebung Laptops, PCs, Speichermedien und Schriftdokumente. Messer und eine Luftpistole, wie an anderen Einsatzorten gefunden, waren nicht darunter.

Durchsucht wurden demnach ausschließlich Privatwohnungen. Dabei sollen auch Personen mit Bezug zur Verdi-Jugend Bonn betroffen sein. Mehrere Mitglieder waren nach den Krawallen in Hamburg festgenommen worden. Drei von ihnen saßen zeitweise in Untersuchungshaft, wurden nach einigen Tagen aber wieder freigelassen.

Schlag gegen linke Szene in Bonn

Die Ermittler hätten aus der Wohnung von Nils Jansen, Mitglied im Jugendvorstand der Gewerkschaft Verdi im Bezirk NRW-Süd, Festplatten und Speichermedien mitgenommen. Das teilte Jansen selbst auf Nachfrage des GA mit. „Polizisten haben um sechs Uhr morgens in meiner Wohnung gestanden. Ich war gar nicht zugegen. Wie sie sich Zutritt verschafft haben, weiß ich nicht“, sagte Jansen. Er war im Juli für drei Tage neben zwölf weiteren Bonnern in Polizeigewahrsam gelandet.

Zwei Bonnerinnen und ein Bonner verbrachten bis zu zehn Tage in Untersuchungshaft. Jansen bestreitet weiterhin, dass die Mitglieder der Verdi Jugend vermummt gewesen seien. Der Polizeieinsatz im Stadtteil Bahrenfeld sei für ihn aus dem Nichts gekommen. Zum Schlag gegen die linke Szene sagte der Bonner Linken-Stadtverordnete Jürgen Repschläger: „Die Razzien sollen die Ermittlungsbehörden wieder in die Offensive bringen und die Betroffenen verunsichern.“

Razzien in acht Bundesländern

Am Dienstagmorgen hatte es bundesweit Razzien in 23 Wohnungen und zwei einschlägig bekannten linken Szenetreffs gegeben. Seit 6 Uhr würden Wohnungen in diversen Bundesländern durchsucht, teilte die Hamburger Polizei mit. Die Durchsuchungen stehen demnach im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs gegen 22 Beschuldigte bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Linksautonomen und Polizisten am Morgen des 7. Julis im Stadtteil Bahrenfeld.

Bundesweit seien 25 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt worden. 583 Beamte seien im Einsatz gewesen. Festnahmen habe es keine gegeben. Sichergestellt haben die Einsatzkräfte nach Angaben der Polizei 26 Laptops und Computer, 35 Handys sowie zahlreiche Speichermedien.

Es gehe darum, die Drahtzieher der G20-Krawalle zu ermitteln und an den Kern der linksextremistischen Szene heranzutreten, sagte der Hamburger Polizeisprecher Timo Zill während einer Pressekonferenz am Dienstagmittag. Gegen alle Personen, die im Laufe der Durchsuchungen vorgegangen werde, liege dringender Tatverdacht auf eine Straftat vor.

Ein Bild zeigte bei der Durchsuchung sichergestellte Gegenstände aus Baden-Württemberg, darunter Stichwaffen, Macheten und eine Armbrust. Die Polizei kündigte an, noch im laufenden Monat eine Öffentlichkeitsfahndung herauszugeben, um Hinweise auf weitere Tatverdächtige zu erhalten. Es seien noch für diesen Monat umfangreichere Maßnahmen als bisher in dieser Hinsicht geplant, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer.

Durchsuchungen im Rhein-Sieg-Kreis

Im Zuständigkeitsbereich der Polizei Rhein-Sieg sind Beamte ebenfalls im Einsatz. Das bestätigte Burkhard Rick, der Sprecher der Kreispolizeibehörde in Siegburg. Nach Angaben eines Hamburger Polizeisprechers sind Objekte in Siegburg, Hangelar und Niederkassel betroffen.

Ein Sprecher der Hamburger Polizei sagte, Ziel sei es, weitere Beweise zu sichern. Neben den Wohnungen in Bonn, im Rhein-Sieg-Kreis und in Köln werden auch Objekte in Städten in Hamburg, Berlin, Hessen, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen durchsucht.

Nach Informationen des NDR durchsuchte die Polizei 24 Objekte, darunter Privatwohnungen und linke Stadtteilzentren, unter anderem in Göttingen und Stuttgart. Nicht betroffen war das bundesweit bekannte linksautonome Kulturzentrum Rote Flora, das vor allem seit den schweren Krawallen am 7. Juli im Schanzenviertel in die Kritik geraten war. Stattdessen konzentrierte sich die Polizei laut NDR auch auf die linksextreme Gruppierung „Roter Aufbau“. Sie hatte während des G20-Gipfels unverholen mit Gewalt gedroht. „Mit uns gibt es Molotowcocktails statt Sektempfang“, hatte der „Rote Aufbau“ bei einer Kundgebung und in sozialen Netzwerken verkündet.

Ermittlungen wegen Landfriedensbruch

Die Durchsuchungen erfolgten den Angaben zufolge im Zusammenhang mit Ermittlungen zu Ausschreitungen während eines Polizei-Einsatzes im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld am Rande des G20-Gipfels. Nach Informationen der Zeitung „Die Welt“ ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen 21 Männer und Frauen wegen schweren Landfriedensbruchs. Von der Razzia erhoffe man sich Beweise für die Ermittlungen zu diesen Vorfällen, wie es weiter hieß. Bundespolizisten gingen damals gegen etwa 200 Demonstranten vor, weil sie mit Steinen und Flaschen beworfen worden seien. Medien hatten nach Auswertung eines Einsatzvideos dagegen berichtet, die Beamten seien lediglich mit drei Bengalos beworfen worden.

Die Sonderkommission geht nach NDR-Informationen davon aus, dass Hamburger Linksextremisten eine Rolle bei der Anbahnung der schweren Krawalle vom 6 bis 8. Juli spielten. Es habe eine monatelange Vorbereitung gegeben. „Wir sprechen hier nicht von einer feststrukturierten und auf Dauer vielleicht in jedem Fall angelegten Struktur, das wäre aus meiner Sicht übertrieben. Aber es ist ein Netzwerk, was auf Zeit geknüpft wird“, sagte Hieber dem Sender.

Dazu zähle nach NDR-Informationen, dass für den am frühen Morgen des 7. Juli durch die Elbchaussee marodierend gezogene schwarze Block wohl auf geheime Depots mit Vermummungsmaterial, schwarzer Kleidung und Pyrotechnik zurückgreifen konnte. Bei dem Zug durch die vornehme Straße an der Elbe brannten zahlreiche Autos. Soko-Leiter Hieber sagte dem NDR, dass den Erkenntnissen der Polizei zufolge militante Proteste von erfahrenen Leute angeführt würden, die sich mit der Situation vor Ort auseinandersetzten. Das bedeute auch, „dass die Hamburger Szene speziell Verantwortung getragen hat für Logistik in allen Bereichen, das schließt durchaus auch die militanten ein“.

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