Präventionsangebot "Wegweiser" Reger Beratungsbedarf beim Thema Salafismus

BONN · Es sind vor allem Frauen, die anrufen: aus Sorge um ihre Söhne, um Schüler, um Jugendliche. "Am häufigsten melden sich Mütter, Lehrerinnen und Sozialarbeiterinnen", sagte Coletta Manemann gestern.

 "Nicht selten verbergen sich dahinter familiäre oder schulische Konflikte Coletta Manemann

"Nicht selten verbergen sich dahinter familiäre oder schulische Konflikte Coletta Manemann

Die städtische Integrationsbeauftragte stellte das im April gestartete Präventions- und Beratungsangebot "Wegweiser" für extremistischen Salafismus vor. Doch zur Enttäuschung der Journalistenschar wollte sie kaum Konkretes preisgeben. Man sei in der Anfangsphase und lote noch aus, was die beiden Mitarbeiter des Beratungsangebotes leisten könnten, bat Manemann um Verständnis für ihre Zurückhaltung.

So waren - in Absprache mit dem Land NRW, das das Projekt finanziert - die beiden Berater auch nicht bei dem Pressetermin anwesend. Und dabei hatte das Angebot Manemann zufolge von Beginn an großen Zulauf: "Es gibt Wochen mit fünf bis zehn neuen Fällen", nannte sie nur diese konkreten Zahlen.

Dabei entpuppe sich nach der Überprüfung der Fälle durch die beiden Mitarbeiter - eine türkischstämmige Beraterin und ein marokkanischstämmiger Berater - manch ein Fall als "Fehlalarm". Soll heißen: Nicht jedes Anzeichen von Radikalisierung muss religiös bedingt sein. Selbst wenn plötzlich ein Mädchen ein Kopftuch trage oder ein junger Mann sich einen Bart wachsen lasse, könne das auch aus einer jugendlichen Protesthaltung heraus geschehen. "Nicht selten verbergen sich dahinter familiäre, schulische und/oder soziale Konflikte", erklärte Manemann.

Die Berater seien keine ausgebildeten Pädagogen, kämen aber aus der Jugendarbeit und hätten eine fundierte religiöse Bildung beziehungsweise gute Kontakte in die muslimischen Gemeinden. Von daher seien sie sehr gut geeignet, um Fälle möglicher Radikalisierung einzuschätzen und entsprechend anzugehen. Oftmals führen sie zunächst Gespräche mit Personen aus dem Umfeld der jungen Männer, selten der jungen Frauen.

Sei der Grund für das auffällige und besorgniserregende Verhalten familiärer oder beruflicher Natur, würden die Berater die Jugendlichen und ihre Angehörigen an entsprechende Fachstellen weiterleiten, so Manemann. Doch was, wenn sich der Betroffene bereits radikalisiert hat? In einem solchen Fall helfe "Wegweiser" nicht weiter, denn "es ist kein Aussteigerprogramm", betonte die Integrationsbeauftragte. Damit sich Jugendliche und deren Angehörige vertrauensvoll an die Beratungsstelle wenden könnten, würden grundsätzlich keine personenbezogenen Daten an Sicherheitsbehörden weitergegeben. Erst bei strafrechtlicher Relevanz würde man den Fall in anonymisierter Form ans Land melden. Bislang habe es aber einen solchen Fall in Bonn noch nicht gegeben.

Ein weiterer Auftrag an die beiden Mitarbeiter lautet, ein Präventionsnetz in Bonn zu knüpfen. Auch dabei scheint es noch viel zu tun zu geben. So sagte beim Tag der offenen Moschee in Bonn Anfang Oktober ein Moschee-Sprecher dem GA: "Von “Wegweiser„ habe ich noch nichts gehört."

Zwei Projekte

Neben dem Präventionsangebot "Wegweiser", dessen Personal vom Land NRW in den drei Modellstädten Bonn, Bochum und Düsseldorf finanziert wird, plant das Bundesinnenministerium für Bonn ein weiteres Angebot: die "Beratungsstelle Radikalisierung".

Damit gibt es ab 2015 pro Beratungsangebot eine volle Planstelle. Während "Wegweiser" in Bad Godesberg an der Dechenstraße 14a angesiedelt ist, sucht die Stadt für die zweite Beratungsstelle noch einen Standort. Anders als "Wegweiser", das bei der Stadt angesiedelt ist, soll die Beratungsstelle Radikalisierung von einem freien Träger angeboten werden.

Kontakt zu "Wegweiser" unter Tel. 0228/776150 und 776160

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