Pollenflug in Bonn Reizende Zeit für Allergiker

BONN · Es sind die unauffälligen, wenig glamourösen Blüten, die Allergikern die größten Probleme bereiten. Sie verbreiten ihre Pollen über den Wind. An einer üppigen Blume, die Bienen anlocken will, kann man gefahrlos riechen, ohne dass es gleich in der Nase kribbelt. "Das Bild vom Hatschi-Blümchen ist deshalb eigentlich nicht richtig", sagte Diplom-Biologin Dr. Ulrike Sobick vom Freundeskreis der Botanischen Gärten.

 Ulrike Sobick führt Besucher durch den Botanischen Garten.

Ulrike Sobick führt Besucher durch den Botanischen Garten.

Foto: Horst Müller

Bei einer Führung im Garten am Poppelsdorfer Schloss zeigte sie unter dem Motto "Wirklich ganz reizend" allergene und andere unangenehme Pflanzen. Deren Pollen sind nach Auskunft der Biologin besonders klein und leicht und haben keinen Pollenkitt, weil sie keine Insekten als Taxi zur nächsten Pflanze benötigen.

Pollenallergiker sind im Frühjahr besonders geplagt. Und wer zurzeit morgens auf dem Auto eine gelb-grüne Schicht findet, hat den Eindruck: So schlimm war es selten, nach dem langen Winter explodiert die Natur jetzt förmlich. "Das wird immer wieder behauptet, ist aber nur zum Teil wahr", sagte Professor Thomas Bieber, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Universitätsklinikums Bonn, dem GA. Die Frühblüher seien schlichtweg später geflogen. Die gemessene Pollenbelastung selbst sei in den vergangenen Tagen sogar recht niedrig gewesen.

In der Tat: Die Pollenflug-Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes gibt auch für heute weitgehend grünes Licht, nur eine geringe Konzentration von Gräser- und Birkenpollen wird vermeldet. Beim Wetter spielt vor allem der Regen eine Rolle, weil er die Luft regelrecht reinwäscht.

Auch wenn Arzneimittelwerbung schnelle Linderung verspricht: Auf eigene Faust sollte man den Heuschnupfen nicht behandeln. "Eine allergologische Abklärung ist auf jeden Fall erforderlich", sagte Professor Bieber. Die Diagnostik mit modernen, molekularbiologischen Methoden sei dabei präziser als je zuvor. Doch Allergien sind ein kompliziertes Phänomen. "Ein positiver Test bedeutet nicht, dass der Stoff auch für die Symptome verantwortlich ist", erklärte der Fachmann.

Deshalb ist es wichtig, dass Patienten sich und ihre Symptome selbst genau beobachten. "Die Geschichte, die Information, die der Patient liefert, ist wesentlich", sagte Bieber. In Kombination mit Haut- und Bluttests sei es dann leichter, die Auslöser zu finden. Pollenallergien sind dabei nur ein Bereich in einem großen Spektrum. Die Pollenflug-Vorhersage zu verfolgen sei sinnvoll, so der Arzt: "Aber dann sollten auch die Fenster geschlossen bleiben." Wer raus in die Natur muss, sollte vor dem Zubettgehen die Haare waschen.

Sinnvoll ist auch, besonders aggressive Pflanzen wie die Ambrosia, eine aus den USA neu eingewanderte Art, zu erkennen. Dabei helfen die Exemplare im Botanischen Garten. Sie werden allerdings zur Blüte- und Saatzeit sorgfältig verpackt, damit sich die Pflanze nicht weiter verbreitet. "Zehn Ambrosia-Pollen reichen, um bei Allergikern einen Asthmaanfall auszulösen", erklärte Ulrike Sobick. In anderen Ländern sei die Pflanze bereits meldepflichtig.

Mit dem Wind legen Pollen sehr lange Strecken zurück. Die eigene Gartengestaltung beeinflusst die Symptome deshalb kaum. Es kann vielleicht sinnvoll sein, den blühenden Olivenbaum aus dem Wintergarten an die frische Luft zu setzen. Aber den meisten Pollen kann man nicht entkommen, wie die Biologin an einem Zahlenbeispiel verdeutlicht: "Eine Roggenähre mit 70 Blüten produziert etwa vier Millionen Pollenkörner, die 400 Kilometer weit fliegen können." Sobick kennt das Thema Allergien auch aus eigener Erfahrung: Bei ihr sind es die Gräser, die sie zum Niesen bringen.

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