CoJoBo-Patres Rentner verklagt Orden 54 Jahre nach Missbrauch
BONN · "Das bin ich mir schuldig", sagt Heinz B. leise. Der 66-jährige Rentner steht vor dem Bonner Landgericht, wo er den katholischen Orden der Redemptoristen auf Schmerzensgeld verklagt hat.
Das, was ihm in deren Bonner Collegium Josephinum (CoJoBo) angetan wurde, liegt schon 54 Jahre zurück, aber es hat sein Leben bestimmt. Und zerstört, wie seine Frau später vor der 2. Bonner Zivilkammer sagen wird. Vier Wochen lang sei er, so der 66-Jährige, als Elfjähriger jede Nacht missbraucht worden.
Zusammen mit ihm sind ein gutes Dutzend Mitglieder des "Vereins Missbrauchsopfer Josephinum Bonn und Redemptoristen" vor dem Gerichtsgebäude versammelt, um auf das Unrecht aufmerksam zu machen. "Wir sind nicht verjährt", steht auf Transparenten und Handzetteln.
Ihm falle der Gang an die Öffentlichkeit so viele Jahrzehnte nach dem Missbrauch durch CoJoBo-Patres zwar sehr schwer, meint der 66-Jährige. "Ich will aber nicht mehr Opfer im Dunkeln sein, sondern Handelnder. Wenn sich die Schule und der Orden doch endlich klarmachen würden, was diese fürchterlichen Taten für eine ganze Familie bedeuten", ergänzt sein Schwager. "Wir haben mehrere Selbstmordversuche hinter uns."
Dass der 66-Jährige rechtlich auf verlorenem Posten steht, teilt ihm anschließend im Prozess die Kammervorsitzende Margret Dichter mit Bedauern mit. "Die Justiz kann das erlittene Unrecht nicht ungeschehen machen", stellt sie zu Beginn der Verhandlung klar. Und in diesem Fall fehle die rechtliche Grundlage für den Anspruch des Klägers. Denn abgesehen davon, dass der Orden den vom Kläger behaupteten organisierten Missbrauch bestreite und Beweise wie Täteridentifizierung fehlten, seien seine Ansprüche auch verjährt.
Wie der 66-Jährige schildert, habe er im Sommer 1959 vier Wochen lang in den Ferien als Probeschüler im CoJoBo in einem Zimmer allein gewohnt, und jede Nacht seien die Männer an seinem Bett aufgetaucht und hätten ihn sogar vergewaltigt. Seine Briefe mit Hilferufe an die Eltern seien zensiert worden, und da ihm später zu Hause niemand geglaubt habe, habe er jahrzehntelang alles verdrängt.
Im Zuge der inzwischen vom Orden gewährten Entschädigungszahlungen hat auch er 5000 Euro erhalten. Nun im Prozess macht er einen Gesamtanspruch von 100.000 Euro geltend, hat die Klagesumme aus Kostengründen jedoch auf 5001 Euro beschränkt. Vor allem aber gehe es ihm, wie er erklärt, darum, dass der Orden nun eine Erklärung abgebe, in der das Unrecht zugegeben werde. In diesem Prozess erhält er beides nicht, und so nimmt er schließlich notgedrungen seine Klage zurück.
Der Opferverein fordert die Einrichtung eines kirchlichen Entschädigungsfonds für die Opfer institutionellen Missbrauchs. "Und wir fordern, dass die Verjährungsfristen bei sexuellen Verbrechen gegen Kinder vollständig aufgehoben werden", sagte gestern deren Sprecher Winfried Ponsens. Er hält eine Klage auch nach 50 Jahren für berechtigt. Denn die katholische Kirche in Deutschland habe anders als in Irland und den Niederlanden die Entschädigungsfrage nicht ausreichend geklärt.
Aufregung um Zäpfchen
In die Zeit der bundesweiten Missbrauchsdebatte fiel auch ein Verfahren, das die Staatsanwaltschaft 2012 gegen einen CoJoBo-Pater führte. Eltern hatten dem Leiter des Schulsanitätsdienstes vorgeworfen, einem Elfjährigen ohne elterliche Einwilligung ein Zäpfchen verabreicht und einen 15-Jährigen mit Bauchschmerzen am Unterleib abgetastet zu haben. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, weil sie keine Straftaten erkennen konnte. Der Pater hat das CoJoBo trotzdem verlassen.