Demo gegen Bahnlärm Rund 1000 Menschen gingen in Bonn auf die Straße

Bonn · Rund 1000 Teilnehmer aus Bonn, dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Mittelrheintal haben am Sonntag mehr Schutz vor Bahnlärm gefordert. Die Demonstranten zogen vom Bonner Hauptbahnhof zum Alten Rathaus. Bei der Kundgebung forderte Gerd Kirchhoff vom Netzwerk der Bürgerinitiativen gegen Bahnlärm einen städteübergreifenden Zusammenschluss.

Sie rattert, sie quietscht, sie lässt die Wände wackeln: Die Bahn mache die Menschen im Rheintal krank, sagen die geplagten Anwohner. "Und deshalb gehen wir auf die Straße", so Jürgen Dahlhausen. Er kam am Sonntag mit seiner Anti-Bahnlärm-Gruppe aus dem 800-Seelen-Dorf Lorchhausen bei Wiesbaden nach Bonn, um bei einer Demonstration gegen den Schienenkrach mobil zu machen. Vom Hauptbahnhof starteten gestern etwa tausend Teilnehmer zu einem Zug quer durch die Innenstadt zum Alten Rathaus.

Dort erntete vor allem Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch bei der Abschlusskundgebung viel Beifall von den Demonstranten. "Wir sind nicht machtlos", forderte er die Bürger in einer flammende Rede auf, sich gegen den Schienenkrach zu engagieren. Jede Menge Kritik bekam dabei die Schwarz-Gelbe Bundesregierung von SPD-Mann Nimptsch ab: Sie würde beim Thema Bahnlärm tatenlos zusehen. "Diesen Leuten ist das offenbar völlig egal", so Nimptsch.

Langfristig müsse eine Umgehungsstrecke für das Rheintal gebaut werden, um den Güterverkehr darauf umzuleiten. Weil das aber noch Jahrzehnte dauern könne, seien die die Waggons zu modernisieren. Am effektivsten und vergleichsweise günstigsten sei da die sogenannte "Flüsterbremse" aus Kohlenverbundstoff. Wer seine Güterzüge nicht aufrüste, solle durch höhere Trassenpreise abgestraft werden. "Als Stadt können wir da nur politischen Druck ausüben und Forderungen an die stellen, die die Mittel geben", sagte Nimptsch. Der Handlungsspielraum der Stadt sei leider wenig effektiv.

Das einzige, was zur Zeit Besserung verspreche, sei der Ausbau der Linie S13. Dann kämen nämlich auch der Lärmschutz entlang der Gleise. Als Alternative zur Schiene sieht Nimptsch den Rhein: Der sei noch lange nicht ausgelastet und könne noch 50 Prozent mehr Schiffe tragen.

Rhein-SiegLandrat Frithjof Kühn sah in der Kundgebung ein wichtiges Signal der Menschen in der Region. Wenn die Güterzüge weiterhin durch die Orte dröhnten, hab das in Zukunft auch Auswirkungen auf Wirtschaft und Tourismus. "Die Bewohner ziehen weg und die Touristen bleiben aus, weil ihnen auf der Terrasse der Kuchen auf der Gabel wackelt", sagte Kühn. Solange es keine Umleitung gebe, müsse der passive Lärmschutz an der Strecke verbessert werden. Angefangen bei Lärmschutzwänden, über Schienenstegdämpfer bis hin zu verschäumten Schotterbetten.

Die Bonner stören sich weniger an den Zügen, sondern vielmehr an der Tatenlosigkeit. "Die Bahn war ja schon immer da", sagte Georg Köhler, der in der Südstadt direkt neben den Gleisen wohnt. Die technischen Möglichkeiten, um den Lärm zu mindern, müssten endlich ausgeschöpft werden.

Er findet, dass die Stadt ein Tempolimit in den bewohnten Gebieten verhängen sollte. "Ich finde es beängstigend darüber nachzudenken, was uns erst erwartet, wenn der Schienenverkehr weiter zunimmt", so Köhler. Am Haus von Melanie Brock in Bad Honnef fahren die Züge schon jetzt im Zehn-Minutentakt vorbei. Deshalb hatten ihre Kinder Merle und Milon Plakate gemalt, auf denen sie Ruhe und Ausschlafen forderten. "Nachts wibbelt es immer so sehr, dass wir aufwachen", sagte Merle.

Franz Breitenbach von der Interessengemeinschaft "Schutz gegen Bahnlärm und Erschütterungen" rief zum Durchhalten auf: "Wir müssen die Demos so oft wiederholen, bis wir unsere Ziele erreicht haben." Die große Politik solle merken, dass sich etwas im Rheintal tue. Mit Besorgnis schaut er auf die Prognose des Eisenbahn-Bundesamtes, wonach der Güterverkehr ab 2017, nach der Öffnung des St. Gotthard-Tunnels, enorm zunehmen werden.

Aufgerufen zur Demonstration hatte das "Netzwerk Bahnlärm". das sechs Bürgerinitiativen zwischen Koblenz und Bonn vereint. Deren Sprecher Gerd Kirchhoff war stolz auf den Zusammenhalt der Bürger aus der gesamten Bundesrepublik. Nach Bonn kamen 16 Bürgerinitiativen, fast die Hälfte der Demonstranten stammte aus dem Mittelrheintal. "Dieses Engagement müssen wir aufrecht erhalten", so Kirchhoff.

Erst Mainz, dann Bonn

  • Nicht nur den Menschen macht der Bahnlärm zu schaffen, auch den Tieren. Ein Hund mit großen, gespitzten Ohren, dem die Züge offenbar allzu laut rattern, trug am Sonntag sein Transparent als Mäntelchen auf dem Rücken. "Der Bahnlärm bringt mich um", verkündete der Vierbeiner auf diesem Wege.
  • Das Lärmproblem verbindet über Landesgrenzen hinweg: Eine große Gruppe von Unterstützern kam am Sonntag aus dem Mittelrheintal zur Demonstration nach Bonn. Bereits am Samstag hatten in der Mainzer Innenstadt 4500 Menschen demonstriert. Sie gingen dort nicht nur gegen Bahnlärm, sondern auch gegen Fluglärm auf die Straße.
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