Werkstattbühne in Bonn Schauplatz ist die gestürzte Hauptstadt

Bonn · "Gestürzt", das sei doch wirklich ein großes Wort für das kleine Bonn, merkte ein Besucher der Reihe "Theatergespräche über Gott und die Welt" nicht ohne spöttischen Unterton an. "Das wird mir in Erinnerung bleiben", meinte er nach der Diskussionsveranstaltung des Evangelischen Forums in Kooperation mit dem Bonner Theater.

 Die Handlung spielt in Bonn. Die Figuren Ada und Alev sind hochbegabte Außenseiter, die Menschen in ihrer Umgebung mit Kalkül ins Unglück stürzen.

Die Handlung spielt in Bonn. Die Figuren Ada und Alev sind hochbegabte Außenseiter, die Menschen in ihrer Umgebung mit Kalkül ins Unglück stürzen.

Foto: Barbara Frommann

Im Anschluss an eine Aufführung von "Spieltrieb" nach dem Roman von Juli Zeh auf der Werkstattbühne sprachen Hauptdarsteller und Regisseurin mit Johannes Sabel und Axel von Dobbeler über die Ausarbeitung der Charaktere, die Bedeutung des Spiels in der Wirtschaft, in der Kindheit und auch als Trieb, und warum Bonn als Metapher für Haltlosigkeit taugt.

Die 15-jährige Ada, Schülerin des fiktiven Bonner Ernst-Bloch-Gymnasiums, ist selbst unter den Außenseitern eine Außenseiterin, eine gelangweilte Hochbegabte, die mit Leichtigkeit intellektuelle Schlagabtausche gegen ihre Lehrer gewinnt, darunter Höfi, ihre einzige Bezugsperson. Hochmut und Unterforderung sind ihre ständigen Begleite, r bis Alev, der neue Mitschüler, ein scheinbar geistig Ebenbürtiger, in dem sie einen Seelenverwandten erkennt, ihr Spielkamerad wird.

Alev, der nach Kontrolle und Macht über Menschen strebt, zieht sie in seinen Bann. Sportlehrer Smutek wird zur Spielfigur der selbst ernannten Urenkel der Nihilisten. Ada verführt den Mann in der Lehrerdusche, Alev filmt die freitäglichen Wiederholungen. Die Situation eskaliert, als Ada beginnt, in Smutek mehr zu sehen als eine hohle Marionette und Alev das Spiel für beendet erklärt.

"Ada und Alev strahlen Unnahbarkeit aus, sind so unangenehm", sagt Manuel Zschunke, der Alev spielt, "da war es uns wichtig, Momente herauszuarbeiten, in denen sie Menschlichkeit zeigen." Herausforderung sei außerdem gewesen, diese schlauen, verschachtelten Sätze, die die beiden mühelos in ihre Dialoge integrieren "einfach so rauszuhauen", fand Maike Jüttendonk, Darstellerin der Ada. "Das sind schon zwei krasse Klugscheißer." Juli Zeh arbeite mit Worthülsen, die den Charakteren Schutz geben, fügte Regisseurin Laura Linnenbaum an. Man habe zudem die Generationen einander gegenüberstellen wollen. Höfi und Smutek auf der einen, Ada und Alev auf der anderen Seite. "Diese warme, viel entspanntere Spielweise der Erwachsenen trifft auf so eine Kälte. An die Jugendlichen kommt man gar nicht mehr ran." Nach "Nullzeit" ist "Spieltrieb" das zweite Werk der Bonnerin Juli Zeh auf der Werkstattbühne. "Ihre Romane bieten sich örtlich und thematisch einfach an", so Linnenbaum. Warum sie denke, dass Zeh Bonn zum Schauplatz der Handlung machte? "Ada und Alev leben in einer zerbrochenen Welt, in der man sich an nichts festhalten kann. Das erinnert ein bisschen an Bonn als gestürzte Hauptstadt."

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