Qamar Bani Hashim Schiitische Gemeinde im Trauermarsch durch Bonn

Bonn · Anlässlich des Todestages des Märtyrers Hussain, Enkel des Propheten Mohammed, bestritt die schiitische Gemeinde Qamar Bani Hasim beschritt einen Trauermarsch in der Bonner Altstadt. Außenstehende reagieren befremdet - aber auch beeindruckt.

Barfuß und Oberkörper frei stehen sie da, singen laut im Chor und schlagen sich fest im Rhythmus auf die Brust. So fest, dass die Brust schon zu glühen scheint. Und so laut, dass man meinen könnte, der Boden beginne zu vibrieren. Die knapp fünfzig Männer scheinen wie in einem Trancezustand. Ein Passant fasst die Situation aus der Außenperspektive kurz und knapp zusammen: „Das hier ist alles total fremd, aber irgendwie auch beeindruckend.“

Die schiitische Gemeinde Qamar Bani Hasim beschritt anlässlich des Todestages des Märtyrers Hussain, Enkel des Propheten Mohammed, einen Trauermarsch in der Bonner Altstadt. Angeführt mit der sogenannten Alam-Fahne Hussains zogen die Teilnehmer mit pakistanischen, indischen, iranischen und irakischen Wurzeln einige Meter durch die Maxstraße. Hussain gilt als zentrale Figur im schiitischen Islam und war vor knapp 1400 Jahren in der Schlacht von Kerbela getötet worden. Weltweit feiern ihn die Schiiten als Märtyrer und ziehen auf den traditionellen Trauermärschen durch die Straßen.

Aber wieso die Selbstgeißelung? Syed Haider, Mitglied der Gemeinde und Organisator des Trauerzugs, beschreibt das Schlagen als Symbol für die tiefe Trauer, die die Gläubigen über den Mord an Hussain empfänden. „Der Schmerz soll so aus dem Inneren herausspringen können“, erzählt Haider.

Die Stadt hat Selbstverletzungen untersagt

Einige der Teilnehmer tragen zahlreiche Narben auf ihren Rücken, Zeugnisse stärkerer Formen der Selbstgeißelung. In Bonn hat die Stadt allerdings weitergehende Selbstverletzungen als das Schlagen auf die Brust untersagt.

Bereits im Vorfeld hatten sich einige Bonner – vor allem online – skeptisch gegenüber der Veranstaltung geäußert. Sie befanden das Spektakel für „martialisch“ und „belästigend“. Vor Ort allerdings empfanden Außenstehende die Situation völlig anders. Viele waren aus Interesse zu dem angemeldeten Marsch gekommen, um sich selbst ein Bild machen zu können.

„Es ist erstaunlich, wie die Männer hier offen weinen. Das ist eine ganz andere Art der Trauer“, erzählte eine Anwohnerin, die mit ihrer Familie dem Trauermarsch zuschaute. Ihr kleine Tochter Anna hingegen hatte etwas weniger Verständnis für die religiöse Praxis: „Es ist doch bescheuert, sich selber zu hauen!“ In einem Punkt waren sich jedoch alle Zuschauer einig: So ungewohnt der Anblick der rhythmischen Schläge war, so einmalig war die Atmosphäre.

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