Stadt verteidigt Betriebsferien Schlangestehen vor dem Bürgeramt

Bonn · Drinnen schmücken Adventssterne auf roten Servietten die Tische im gähnend leeren Wartebereich. Draußen steht Lilia Knirel und hält sich den Bauch. Seit 6.45 Uhr steht die hochschwangere Neu-Bonnerin vor der Drehtür zum Bürgeramt im Stadthaus Schlange und wartet auf einen Termin zur Anmeldung.

 Warten vor dem Bürgeramt im Stadthaus: Lange bevor sich die Türen um acht Uhr öffnen, stehen Bonner Schlange.

Warten vor dem Bürgeramt im Stadthaus: Lange bevor sich die Türen um acht Uhr öffnen, stehen Bonner Schlange.

Foto: Martin Wein

Die Tür öffnet erst um Punkt acht. "Es gibt doch die Pflicht zur Anmeldung binnen zwei Wochen", sagt Knirel, die von Neuss nach Bonn gezogen ist. Telefonisch habe sie deshalb um einen Termin gebeten. Den gebe es vor Mitte Januar allenfalls online oder am besten gleich an Ort und Stelle, habe sie zur Auskunft bekommen. "Es gibt hier draußen nicht mal eine Sitzgelegenheit", stellt Lilia Knirel fest: "Willkommenskultur sieht anders aus."

Rund 50 Menschen stehen mit Lilia Knirel wie Bittsteller in der Schlange. Sie müssen sich sputen, denn von Heiligabend bis 3. Januar macht die gesamte Stadtverwaltung Betriebsferien - inklusive der Bürgerämter im Stadthaus, in Beuel und Bad Godesberg. Und ab Montag, 4. Januar, seien spontane Terminvergaben zunächst nicht möglich, teilt die Stadt mit.

Dabei beklagen viele der Wartenden vor allem widersprüchliche Informationen aus der Verwaltung. Marc Dietrich etwa braucht für eine Bewerbung dringend ein Führungszeugnis. "Sonst kann ich den Lehrgang vergessen", sagt er angespannt. Im Internet sei ihm ein Termin am 21. Januar angeboten worden - viel zu spät. Am Mittwoch stand er daraufhin schon einmal in der Schlange, kam aber zu spät. "Wenn kurzfristig Termine freigegeben werden, dann ist das nicht einsichtig für jeden." Man könne die Lage doch nicht ständig online im Auge behalten.

Ohne Termin geht nichts

Achim Kistenich braucht eine Kfz-Zulassung. Telefonisch habe ihm die Verwaltung geraten, mit etwas Zeit ins Bürgeramt zu kommen. An Ort und Stelle wurde er abschlägig beschieden. Wer denn so etwas verbreite, sei er gefragt worden. Jetzt hat Kistenich am Freitagmorgen online noch einen Termin ergattert. Auch Klaus Schild wedelt mit seinem Terminzettel. "Ich brauche nur eine Ummeldung", sagt er spöttisch. Dafür stehe er seit kurz vor sechs Uhr vor der verschlossenen Tür. Um acht Uhr darf er vortreten. "Letztes Mal habe ich drei Stunden gewartet", beschwert er sich.

Das Terminvergabeverfahren habe sich als System sehr bewährt, sagt hingegen die Verwaltung. Stadtvizesprecher Marc Hoffmann verweist auf 19 000 monatlich vergebene Termine und eine "konsequente und kontinuierliche Kapazitätserweiterung in den vergangenen Monaten". Abends nach Dienstschluss würden stets Resttermine für den Folgetag online angeboten. Morgens stünden immer Notfalltermine zur Verfügung.

Hoffmann betont, es gebe keine Priorisierung eiligerer und weniger dringlicher Anliegen. Vergeben werde nach Zeitbedarf und freiem Zeitkorridor. Schnell zu erledigende Anliegen würden deshalb im Regelfall früher erledigt. Die Zunahme der Flüchtlinge auch in Bonn habe von August bis Oktober alle Anstrengungen zur Verbesserung der Situation ausgehebelt. Schließlich mussten auch sie sich anmelden. Man habe deshalb alle Hintergrundarbeiten verschoben und diese an Samstagen erledigt.

Jetzt sieht sich die Verwaltung offenbar am Ende ihrer Leistungskraft. Um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen und weitere Krankheitsfälle zu vermeiden, seien nach dieser Sondersituation die fast zweiwöchigen Betriebsferien der gesamten Verwaltung erforderlich. In den vergangenen Jahren hatte die Stadt stets mit Einsparungen bei Strom- und Heizungskosten argumentiert. In den ersten beiden Wochen des neuen Jahres würden laut Hoffmann dann aber alle verfügbaren Mitarbeiter im Kundenverkehr eingesetzt, um den zu erwartenden Aufgabenstau zu bewältigen. Für Arbeiten im Hintergrund seien Überstunden vorgesehen.

Bei einem Selbstversuch der Redaktion gestern Mittag wurde zur Anmeldung ein Termin frühestens am 16. Februar angeboten. Marc Dietrich dagegen hatte gestern Erfolg. "Innerhalb weniger Minuten hat ein sehr freundlicher Mitarbeiter mir einen Termin verschafft, der schon 40 Minuten später stattgefunden hat. Auch dort eine überaus freundliche und hilfsbereite Mitarbeiterin", teilt er am Nachmittag mit. Sein Fazit: Der menschliche "Kontakt" habe bestens funktioniert, das Online-Anmeldesystem könnte allerdings besser sein. Er und auch Lilia Knirel müssen nicht wiederkommen. Sie sind jetzt offiziell Bonner.

Online-Buchung

Termine für die Bürgerämter im Stadthaus, in Beuel und Bad Godesberg können online auf www.bonn.de gebucht werden. Durch Stornierungen können sich auch kurzfristig freie Termine ergeben. Auf dem Portal der Stadt können einige Anfragen auch ohne Termin erledigt werden, etwa die Anforderung von Geburts- oder Heiratsurkunden, eine Ummeldung im Bonner Stadtgebiet oder Anfragen an das Fundamt.

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