Landgericht Bonn Schmerzensgeld für Hüftgelenk

Bonn · Es vergeht kein Tag, an dem Eva Tritschler nicht an ihre künstliche Hüfte denkt: Das Quietschen und Knacken „nervt extrem“, sagt die 60-jährige Bonnerin.

 Eva Tritschler und ihre Anwaltin Sonia Gabrielczyk.

Eva Tritschler und ihre Anwaltin Sonia Gabrielczyk.

Foto: Jeschor

Doch das Schlimmste für die Pressesprecherin der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. ist, dass sie mit der Angst leben muss, dass das in der rechten Hüfte eingesetzte Implantat ihren Körper so schwer schädigt, dass es vor dem Ablauf der vorgesehenen Lebensdauer von 15 Jahren ersetzt werden muss.

In einem Zivilprozess vor den Richtern der neunten Zivilkammer des Landgerichts hat Tritschler die Herstellerfirma verklagt. Neben einem Schmerzensgeld von 10 000 Euro forderte sie auch die Feststellung, dass die Beklagte für alle in Zukunft anfallenden Schäden aufkommen muss. Seit etwa fünf Jahren habe sie Schmerzen. Wenn sie mit ihren Enkeln Fußball spiele, könne sie sich nur ins Tor stellen.

Das Hüftgelenkimplantat wurde Tritschler 2008 eingesetzt. Zwei Jahre später rief das Unternehmen das mangelhafte System jedoch zurück. Bei der Reibung von Metallkopf und Metallkapsel entsteht bei diesem Produkt ein höherer Metallabrieb als bei anderen Implantaten. Dies führt zu einem Anstieg der Metallionen im Blut. Diese können sich ablagern und zum Absterben von Gewebe, sogenannten Nekrosen, führen. Die Firma hat sich daraufhin verpflichtet, die Kosten für Operationen, bei denen das Implantat entfernt und durch ein anderes ersetzt wird, zu übernehmen.

Beim Bonner Landgericht haben bislang fünf Patienten, denen das Implantat in einer Bonner Klinik eingesetzt wurde, gegen den Hersteller geklagt. In einem Fall, bei dem das künstliche Gelenk bereits ersetzt werden musste, stimmte der Hersteller einem Vergleich zu, der die Zahlung von 42 000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld vorsieht. In einem weiteren Prozess, bei dem das Implantat wie bei Tritschler noch nicht ausgetauscht werden musste, einigten sich die Parteien darauf, dass das Unternehmen eine Entschädigung von 5000 Euro zahlt.

Im Tritschlers Blut sind zweifelsfrei hohe Konzentrationen von Chrom und Kobalt messbar. Die Klägerin selbst spricht von einer „Metallvergiftung“. Der ärztliche Gutachter kam allerdings zu der Einschätzung, dass Vieles dafür spricht, dass die erhöhte Metallionenkonzentration vom rechten Hüftgelenk verursacht wird. „Zwingend“ darauf zurückzuführen sei es jedoch nicht, da in der linken Hüfte ebenfalls ein Implantat eingesetzt wurde, allerdings von einer anderen Firma, .

Die Richter stellten gestern in der mündlichen Verhandlung klar, dass sie bei dem Produkt einen Entwicklungsfehler sehen und der Hersteller daher haften müsse. „Die Klägerin empfindet berechtigt Angst“, sagte der Vorsitzende Richter Eugen Schwill. Einen Schaden, der einen Anspruch auf Schmerzensgeld rechtfertigt, sehen die Richter derzeit jedoch nicht wirklich. Daher schlugen sie den Abschluss eines Vergleichs vor: Der Hersteller solle, wie bei dem bereits erledigten Fall, 5000 Euro zahlen.

Das verklagte Unternehmen zeigte sich sogar bereit, im Zuge einer gütlichen Einigung für das bislang Erlittene ein Schmerzensgeld von 6000 Euro zu zahlen. „Das Angebot empfinden wir als äußerst großzügig“, so der Kammervorsitzende. Diesem Vergleich stimmte Tritschler schließlich zu – allerdings hat sie noch zwei Wochen Bedenkzeit, in denen sie die Einigung widerrufen kann.

Aktenzeichen: LG Bonn 9 O 125/14

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