Integration in Bonn Schritt für Schritt ins neue Leben
BONN · Abdulla Wanli (48) und Malick Bah (18) sind aus Syrien und Guinea nach Deutschland geflüchtet. Beide wollen in Bonn auf eigenen Beinen stehen – der eine als Deutschlehrer, der andere als Auszubildender bei der Stadt.
Der Krieg hat Abdulla Wanli wenig Zeit gelassen, um zu träumen und zu wünschen. Im Grunde war er glücklich in Syrien mit seiner Frau, den Kindern, dem kleinen Unternehmen, das er sich aufgebaut hatte. Wanli verdiente sein Geld damit, Datteln aus Saudi-Arabien zu importieren und als Zwischenhändler wieder an Geschäfte weiterzuverkaufen. Es lief gut für den 48-Jährigen. Es hätte so weitergehen können, wenn die Gefechte zwischen Regierung und revolutionären Milizen nicht diese Ausmaße angenommen hätten. Aber so blieb nur die Flucht über die Türkei.
Vor einem Jahr kam der Landwirtschaftsingenieur nach Bonn. Keine Sprachkenntnisse, kaum Vorstellungen vom Leben in Deutschland. „Es war“, sagt er, „nur eine Idee von einem alten Europa, die ich im Kopf trug.“ Er sagt das wirklich so schön formuliert.
Heute unterrichtet der Mann, der gerade einmal die vier Jahreszeiten in Deutschland erlebt hat, selbst in deutschen Sprache. Neun Flüchtlinge sind an diesem Tag in den Seminarraum ins Bad Godesberger Axenfeldhaus gekommen, um zu lernen, sich hier zu verständigen. Herr Wanli ist ihr Lehrer. „Osama, stellen Sie sich vor“, sagt er. Und Osama stellt sich vor: „Ich bin Osama. Ich wohne in der Rheinallee, bin verheiratet und habe zwei Kinder.“
Ein anderer Teilnehmer soll die Frage beantworten, ob er verheiratet ist. Er ist sich nicht ganz sicher, ob er richtig verstanden hat. Das „ei“ in verheiratet bereitet in der Aussprache Schwierigkeiten, bei deren Überwindung Wanli behilflich ist.
Im Axenfeldhaus sagen die Mitarbeiter, sie wüssten nicht, was sie ohne ihn machen würden. „Er ist so wichtig für unsere Arbeit und die Integration“, sagt Imke Schauhoff. Sie haben Wanli dort eine feste Stelle angeboten, aber er wollte nicht. „Sehen Sie, das sind meine Freunde, alles Schicksale. Alle machen das hier ehrenamtlich. Da könnte ich kein Geld nehmen“, sagt er.
Arbeit finden ist das Ziel
Grundsätzlich heißt das Ziel aber: Arbeit finden. Der Syrer, der in der Nähe von Damaskus gelebt hat, steht auf einer Warteliste für den fortgeschrittenen B2-Sprachkurs und kann ihn wohl in etwa einem halben Jahr absolvieren.
Und danach? Seine Vorstellung von beruflicher Zukunft hat sich mit den Monaten gewandelt. „Ich würde gerne in der Sozialarbeit Fuß fassen, weil ich glaube, dass ich den Leuten so helfen kann.“ Er empfinde das als eine Art Verpflichtung. Es gehe nicht mehr so sehr um ihn, sondern um die Frage, was Sinn macht. Man könnte Abdulla Wanli wohl einen Pragmatiker mit Herz nennen. Als Bewohner im Axenfeldhaus organisiert er regelmäßig das wöchentlich stattfindende Café Contact. Nachbarn und Flüchtlinge kommen zusammen. Das sei wichtig, um Menschen zusammenzubringen. „Ich gehe“, sagt der Syrer, „Schritt für Schritt.“
Auch Malick Bah schreitet auf diese Art voran. Aus dem westafrikanischen Guinea ist er vor drei Jahren gekommen, da war er 15 Jahre alt. Die Mutter starb kurz nach der Geburt, der Vater vor vier Jahren. Danach war er praktisch mittellos. Der Onkel hat ihm eine Kontaktadresse in Deutschland von einem Bekannten mitgegeben und ihn fortgeschickt. In einer Gruppe, aber ohne einen Begleiter, machte er sich auf den Weg nach Marokko und von dort mit dem Schiff nach Europa. „Du denkst, es ist das Paradies und siehst, dass es richtig schwer ist.“
Zunächst wurde der junge Mann in Dortmund untergebracht, heute wohnt er in einem Flüchtlingsheim in Rheinbach-Wormersdorf. Der Bonner Verein „Ausbildung statt Abschiebung“ (AsA) half ihm, einen Schulplatz zu ergattern. „Wir leiten aus einer Schulpflicht ein Schulrecht ab“, erklärt die Leiterin der AsA-Geschäftsstelle, Carmen Martinez Valdés.
Ungewisse Zukunft
In zwei Jahren absolvierte der heute 18 Jahre alte Malick Bah, der bei seiner Ankunft in Deutschland kein Wort deutsch konnte, den Hauptschulabschluss. Vor einem halben Jahr hat er bei der Stadt Bonn eine Ausbildung zum Straßenbauer begonnen. Asphaltieren, Steine festklopfen: „Ich bin froh, dass es geklappt hat und der Verein und die Stadt mich unterstützen“, sagt Malick Bah. Zumal es einige Mitbewerber gab.
Und wie wird es weitergehen? Er weiß es nicht. Aber er ist kein Träumer. Da es in der Heimat aktuell keinen Krieg gibt, glaubt er nicht, dass sein Asylantrag Aussicht auf Erfolg hat. Die Ausbildung hat er mit Bedacht gewählt. „Straßen sind in Guinea meistens in schlechtem Zustand. Da gibt es viel zu tun.“ Wenn er zurück muss oder will, hofft er, ein kleines Bauunternehmen aufmachen zu können, hätte eine Perspektive. Während er die Ausbildung absolviert, so schätzt Valdéz die Lage ein, wird die Duldung weiter verlängert.
An diesem Tropf der Entscheider zu hängen, sei oft zermürbend für die Jugendlichen. Valdéz sieht politischen Handlungsbedarf, um die Situation zu verbessern. Die Zuweisungen in die Kommunen stellten oft Hindernisse dar, wenn Ausbildungs- oder Arbeitsplätze weiter weg liegen. Umzüge für Flüchtlinge sollten aus ihrer Sicht erleichtert werden. Malick Bah nutzt die Zeit in Bus und Bahn, um zu lernen. Anmerkungen, dass es hart sein muss so weit weg von der Heimat, wischt er beiseite: „Ich kenne Leute, die es schwerer haben.“