Aktionswoche Schuldnerberatung in Bonn Schulden machen krank

BONN · Die bundesweite Aktionswoche Schuldnerberatung steht in diesem Jahr unter dem Motto „Schulden machen krank – Krankheit macht Schulden“. Sie will auf die Situation von Menschen wie Hanne Kremer aufmerksam machen.

 Henning Dimpker leitet die Bonner Schuldnerberatung.

Henning Dimpker leitet die Bonner Schuldnerberatung.

Foto: Diakonisches Werk

Es ist ein Teufelskreis. Das weiß Hanne Kremer (Name geändert). Weil sie seit vielen Jahren eine chronische Krankheit plagt, rutschte sie nach und nach in die Schuldenfalle – und ist davon noch kranker geworden. „Trotzdem werfe ich mir vor: Jetzt bist du 55 Jahre alt, und so weit hast du es gebracht.“ Mit „so weit“ meint die alleinstehende Bonnerin die 13.000 Euro Schulden, die aktuell noch auf ihr lasten und die sie letztlich dazu gebracht haben, sich von außen Hilfe zu suchen.

„Es war nicht leicht, in der Schuldnerberatung die Karten auf den Tisch zu legen“, sagt die Betroffene. Sie habe sich für ihre Leidensgeschichte der vergangenen Jahre geschämt. Etwa dafür, dass ihre Krankheit es ihr nur bis 2012 erlaubt habe, voll zu arbeiten. Danach musste sie auf eine halbe Stelle reduzieren und Erwerbsminderungsrente beantragen.

Von da an sei das Geld für den Lebenserhalt immer weniger geworden, hat Kremer in der Beratung berichtet. Es sei ihr gesundheitlich bald so schlecht gegangen, dass sie ihre halbe Stelle aufgab. „Ab da habe ich von 720 Rente und 21 Euro Sozialhilfe gelebt.“ Die Folge: Sie überzog ihr Konto.

Gut aufgenommen bei Schuldnerberatung

Was helfe es, die Bank dafür zu kritisieren, dass die ihr angeboten habe, den Dispokredit zu erhöhen, obwohl klar war: Hanne Kremer würde nie zurückzahlen können? „Ich war selbst schuld“, sagt die Frau heute zerknirscht. Bei der Schuldnerberatung habe sie sich aber dann gut aufgenommen gefühlt. „Mein Berater ist total sachlich. Ich hatte bei ihm nie das Gefühl: Ich bin die Böse“, berichtet Kremer.

Henning Dimpker, Leiter der zentralen Schuldnerberatung von Diakonie und Caritas in Bonn, kennt fatale Zusammenhänge wie die bei Hanne Kremer. „2015 haben wir 557 Klienten neu aufgenommen. Von ihnen wurde 88 Mal Krankheit, inklusive fünfmal Sucht, als hauptsächlicher Schuldengrund angegeben“, sagt Dimpker.

Bei den im vergangenen Jahr insgesamt 905 Ratsuchenden in der Einrichtung habe es 158 Mal geheißen, dass maßgeblich Krankheit sie in Schulden getrieben habe, bei zehn Betroffenen sei Sucht dazugekommen.

Schweigepflicht für alle Mitarbeiter

Die Beratungsstelle im Bonner Zentrum wie auch die des DRK im Bad Godesberger Rathaus mit Susanne Eisenblätter helfen in diesen wie anderen Fällen kostenfrei. „Wir finden Lösungsmöglichkeiten für persönliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten und unterstützen im Entschuldungsverfahren“, erläutert Dimpker.

Man berate, wie die Situation zu bewältigen sei und wie man wieder Kontrolle und Verantwortung über die finanziellen Angelegenheiten erlangen könne. Die Ziele seien, dass die Hilfesuchenden ihren Lebensunterhalt wieder zu sichern lernten, dass sie begännen, überlegt mit Geld umzugehen und damit wieder Lebensqualität zu erlangen. Selbstverständlich unterlägen alle Mitarbeiter der Schweigepflicht.

Hanne Kremer jedenfalls sucht inzwischen alle zwei Wochen das Gespräch mit ihrem Schuldnerberater. Schließlich hieß die einzige Lösung: Privatinsolvenz. Sie sagt: „Ohne Hilfe von außen hätte ich es nie geschafft, wieder Land zu sehen.“

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