Bonner Stadtmuseum Schule wie im 19. Jahrhundert

Bonn · Die Matrosenkragen sitzen wie später die Fünferreihe beim Kopfrechnen. Als die Mädchen und Jungen der Delphinklasse an der Till-Eulenspiegel-Schule brav in Zweierreihen in den Klassenraum des Kessenicher Schulmuseums tapsen, ist das wie ein Blick in eine Zeitblase.

 Das Schulmuseum Kessenich geht nach 30 Jahren in den Besitz des Stadtmuseums über.

Das Schulmuseum Kessenich geht nach 30 Jahren in den Besitz des Stadtmuseums über.

Foto: Martin Wein

Museumslehrerin Eva Zwach setzt ihr strenges Gesicht auf und bimmelt mit der großen Glocke die Schulstunde im 19. Jahrhundert ein. Nur der Rohrstock wird in den kommenden Minuten nicht zum Einsatz kommen. Denn Züchtigungen finden im Kessenicher Schulmuseum in einem ungenutzten Raum der Nikolausschule bei allem Hang zur Authentizität nur nach Absprache statt – und sie werden auch nur simuliert.

Hunderte Karten, Bücher und Fotos gehören zur Sammlung

45.000 Bonner Kinder haben für die historische Schulstunde in den vergangenen drei Jahrzehnten bereits Platz in den winzigen Holzbänken der Museumsklasse genommen. Am Mittwoch zog der Förderverein des kleinen Museums deshalb zufrieden Bilanz. Nachdem Reiner Kromm, damals Fachleiter für Sachunterricht, und Schulamtsdirektor Horst Judith 1985 auf dem Speicher mehrerer Bonner Schulen wider Erwarten ein fast vollständiges Inventar eines Klassenzimmers fanden, hatten sie mit der Sammlung begonnen. Ein Dutzend Vereinsmitglieder trug seither Hunderte Karten, Bücher, Präparate, Fotos und beispielsweise auch eine Sammlung mit bunten Schwammdöschen zusammen. Wie viele Exponate die Sammlung inzwischen umfasst, weiß niemand genau, obwohl sie in den letzten Jahren in mühevoller Arbeit inventarisiert wurden.

Bonner Stadtmuseum
11 Bilder

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Zum Jubiläum übergab die Vereinsvorsitzende Sabine Lange nun symbolisch einen Klassenschlüssel am Schwämmchen an die Leiterin des Stadtmuseums, Ingrid Bodsch. Der Förderverein verschenkt seine Sammlung und will sich demnächst auflösen. Noch am Nachmittag schraubte Judith als 2. Vorsitzender sozusagen in seiner letzten Amtshandlung ein entsprechendes neues Museumsschild am Schuleingang an. Damit verbunden sei die Hoffnung, dem Stadtmuseum nicht nur 1700 zusätzliche Besucher im Jahr zu bescheren, sondern auch ein Mehr an öffentlicher Aufmerksamkeit, so Judith.

Ingrid Bodsch freute sich sichtlich über den Zuwachs an Exponaten. Die neue Sammlung liefere den Anlass zu einer Sonderausstellung über das Bonner Schulwesen, erklärte sie. Von Ende August bis zum Jahresende werden Teile des Kessenicher Inventars ins Stadtmuseum in der Franziskanerstraße umziehen.

Auch Erwachsene können sich dann in historischen Schulstunden an die eigene Kindheit und die ihrer Eltern und Großeltern zurückerinnern. Ansonsten soll der Standort in Kessenich bis zu einer Gesamtlösung für das Stadtmuseum die Kulisse für die historischen Schulstunden von Eva Zwach im Rahmen des Sachkunde-Unterrichts bilden. Die Jugendstil-Turnhalle der Nikolausschule passt dabei ideal zum musealen Rahmen.

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