WM-Finale Schwarz-Rot-Gold ist überall

BONN · Man riecht sie noch, die Nacht, die mit ekstatischem Jubel, Deutschlandfahnen und zerbrochenen Bierflaschen zu Ende ging. Obwohl Ibrahim Güneysu seinen Kiosk am Bertha-von-Suttner-Platz mehrmals nass gewischt hat, ist der Feiergeruch, der an eine Karnevalssitzung erinnert, noch nicht abgezogen.

"Hier war am Sonntag die Hölle los, das muss man erlebt haben", erzählt er. Die Weltmeisterschaften 2006 und 2010 seien kein Vergleich gewesen. An einem Abend machte Güneysu so viel Umsatz wie sonst in einer Woche. Zeitweise musste er als Türsteher die Massen vor dem Eingang stoppen. "Wir waren hier vier Leute und kamen nicht hinterher", sagt er. Das Kölsch war zuerst ausverkauft, dann folgten Mixgetränke und Pilssorten. Bis 5 Uhr morgens hielt Güneysu die Stellung, dann waren auch die letzten Feiernden verschwunden. Nach drei Stunden Schlaf füllte er die leeren Regale auf. "Dabei sind mir die Augen zugefallen, jetzt möchte ich nur noch ins Bett."

In der Bonner Innenstadt war nicht mehr viel von der berauschenden Nacht zu merken, es war Ruhe eingekehrt. Kneipen wie der "Stiefel" waren im Alltagsbetrieb, nur die Angestellten erinnerten noch an den WM-Titel. "Nach dem Abpfiff waren die Fans schnell auf der Straße, dann hörten wir stundenlang Getöse und Feuerwerk", erzählte Kellner Enrico Kiefer. Nur noch einige Mobilfunkläden warben am Montag mit Weltmeister-Angeboten und Deutschland-Handyhüllen bei Vertragsabschluss. Das schwarz-rot-goldene M von McDonald's am Bonner Loch hatte Filialleiter Christian Lehmann schon am Donnerstag für das Finale dekoriert. "Ob es das Deutsche Team beflügelt hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist es ein beliebtes Fotomotiv geworden", sagte er. Je nach Lichteinfall und Perspektive wurde auch die dunkle, fast schwarze Beethovenstatue am Münsterplatz, umringt von roten und gelben Blumen, zur Trägerin der Nationalfarben. Laut Stadt aber keine Absicht.

Gleich am Montagmorgen ist die Statue von Johannes Nepomuk am Beueler Rheinufer von Fußballfans geschmückt worden. Nachwuchsmitglieder des Schiffer-Vereins Beuel haben unter Leitung von Sebastian Pätz 20 kleine und eine große Deutschland-Fahne am Denkmal befestigt. Den Heiligen umwickelten die Jugendlichen mit der großen Fahne. "Vorerst bleiben die Fahnen hängen", erklärte Claus Werner Müller, Vorstandsmitglied des Schiffer-Vereins. "Das passt doch gut zur Stimmung im Land. Danach werden wir wieder die Schiffer-Flaggen aufhängen."

Bonns Ex-Prinz Rainer Abels hat sich einen Traum erfüllt: Der 52-Jährige war vom Eröffnungsspiel bis zum Finale im WM-Land Brasilien im Dauereinsatz. Die Tollität der Session 2011/12 hat viele Spiele gesehen und ein SOS-Kinderdorf in Recife besucht. "Weder das 7:1-Halbfinale noch das Finale werde ich jemals vergessen. Die Herzlichkeit der Brasilianer ist unglaublich, selbst nach unserem Kantersieg noch", sagte Abels am Montag dem GA. "Rainario", so nannten ihn seine Kumpels am Strand, kommt am Dienstag wieder nach Hause.

[kein Linktext vorhanden] Noch sind Schulferien und viele Familien sind verreist. Doch spätestens in vier Wochen steht das Telefon von Peter Altendorf nicht mehr still. "Nach jedem großen Fußballturnier haben wir Neuanmeldungen", weiß der Vorsitzende von Rot-Weiß Röttgen, der mehr als 30 Jahre im Verein aktiv ist. Besonders viele "Bambini" wollen dann so kicken wie Schweinsteiger, Götze und Co. Zwar gibt es schon jetzt zwei Mannschaften für Fünf- bis Sechsjährige. Nach den Sommerferien muss aber wahrscheinlich über ein drittes Team nachgedacht werden. Der Vereinsvorsitzende ahnt auch schon, welche Farbe dann auf dem Fußballplatz vorherrschen wird: "Die meisten Kinder laufen garantiert im neuen Trikot der deutschen Mannschaft auf."

Über mangelnden Nachwuchs konnte sich der FC Blau Weiß Friesdorf noch nie beklagen. "Es ist nicht immer einfach, genügend Trainingsmöglichkeiten für alle Teams zu haben", erklärt Gunnar Bach, zweiter Vorsitzender des Vereins. Bereits vor der WM habe er festgestellt, dass viele Kinder ihre Eltern überredet hatten, sie im Fußballverein anzumelden.

Pokal auf dem Post Tower

Ein leuchtendes Beispiel von Fußballbegeisterung: Noch bis Dienstagnacht lässt die Deutsche Post DHL ihr Hochhaus am Rheinufer mit einem riesigen WM-Pokal-Motiv erstrahlen. Die Idee sei nach dem Halbfinalsieg gegen Brasilien entstanden, berichtet Pressesprecherin Anne Motz: "Wir wollen als Partner der deutschen Nationalelf von Bonn aus ein Dankeschön an die Mannschaft senden." Der Post Tower hat rund 2000 Leuchten. Wenn aus besonderen Anlässen ein Bild auf der Fassade erscheinen soll, wird mit einem speziellen Computerprogramm die passende Pixel-Anzahl für die Beleuchtung berechnet. Zur GA-Benefizaktion "Weihnachtslicht" erscheint zum Beispiel alljährlich eine große Kerze auf der Fassade.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort